Loveparade-Prozess:Drei Angeklagte lehnen vorzeitiges Verfahrensende ab

  • Die Staatsanwaltschaft hat einer Einstellung des Loveparade-Prozesses in den Fällen aller zehn Angeklagten zugestimmt.
  • Sieben Angeklagte haben einer Einstellung des Verfahrens ebenfalls zugestimmt. Drei Angeklagte lehnen sie ab.
  • Diese drei erklärten sich am 100. Prozesstag nicht bereit, einer Einstellung des Verfahrens zuzustimmen.
  • Frühestens am Mittwoch kann das Gericht einzelne Verfahren abtrennen und andere einstellen.

Aus dem Gericht von Benedikt Müller

Im Loveparade-Strafprozess ist die Einstellung des Verfahrens gegen die Mehrheit der Angeklagten wahrscheinlicher geworden - ein vorzeitiges Ende des kompletten Verfahrens hingegen nicht. Die Staatsanwaltschaft erklärte am Dienstag, dass sie dem Einstellungsvorschlag des Gerichts in allen Fällen zustimmt. Drei der insgesamt zehn Angeklagten erklärten sich am Dienstag in Düsseldorf hingegen nicht mit einer Einstellung des Verfahrens einverstanden. Sieben Angeklagte hatten sich für eine Einstellung des Prozesses ausgesprochen.

Frühestens morgen soll eine Entscheidung fallen, ob das Gericht einzelne Verfahren abtrennt und andere einstellt. Der Vorsitzende Richter Mario Plein kündigte an, möglichst bald darüber zu entscheiden.

Das Landgericht Duisburg hatte Mitte Januar vorgeschlagen, das Verfahren gegen sieben Angeklagte ohne, gegen drei Angeklagte mit Auflagen einzustellen. Die individuelle Schuld der Angeklagten sei als gering oder allenfalls mittelschwer anzusehen, hatte das Gericht seinen Vorstoß damals begründet.

Als Auflage nannte die Staatsanwaltschaft die Zahlung einer angemessenen Geldauflage, "die in einer Größenordnung von jeweils etwa 10 000 Euro liegen" solle. Das Geld soll einer gemeinnützigen Einrichtung zugutekommen. Bei den drei Angeklagten, die eine Auflage erhalten sollen, handelt es sich um drei Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent. Die Anwältin eines ehemaligen Mitarbeiters kritisierte die von Gericht und Staatsanwaltschaft angeführte Differenzierung. Ihrem Mandanten sei nicht verständlich, warum seine Schuld im "mittleren Bereich" anzusiedeln sei. "Unser Mandant ist nicht der Stellvertreter all jener, die Fehler gemacht haben", betonte sie und verwies auf die Anzahl von Fehlern, die im Gesamtbild gewichtet und bewertet werden müssten. "Er verzichtet nicht auf sein Recht, freigesprochen zu werden."

Der Justiz läuft die Zeit davon

Der Strafprozess habe die entscheidenden Ursachen der Loveparade-Katastrophe aufgearbeitet, sagte Oberstaatsanwalt Uwe Mühlhoff: Weder das Eventgelände in Duisburg noch das Konzept der Veranstalterfirma Lopavent seien für so viele Besucher geeignet gewesen. Zudem seien die Besucherströme falsch geleitet worden, die Verantwortlichen hätten "ein Kommunikationschaos" am Tag der Loveparade zu verantworten. Wäre all dies im Voraus erkannt worden, wären die Todesfälle und Verletzungen "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten", so Mühlhoff.

Dennoch läuft der Justiz die Zeit davon: Das Landgericht hat an bislang 100 Verhandlungstagen 59 Zeugen vernommen, in das entscheidende Sachverständigen-Gutachten sind aber Aussagen von weiteren 575 Zeugen eingeflossen. "Eine ganz erhebliche Anzahl von diesen" müsste noch vor einem möglichen Urteil vor Gericht aussagen, sagte der Oberstaatsanwalt. Dies sei selbst mit größter Anstrengung "nicht zu absolvieren", bevor die strafrechtlichen Vorwürfe im Juli 2020 - genau zehn Jahre nach der Katastrophe - verjähren würden. Bereits jetzt habe der Strafprozess ein wesentliches Ziel erfüllt, sagte Mühlhoff, nämlich die Loveparade-Tragödie öffentlich aufzuarbeiten. Auch gälten bereits heute strengere Anforderungen an Großveranstaltungen.

Drei Angeklagte lehnen eine Einstellung des Prozesses ab

Die sieben Angeklagten, gegen die das Verfahren ohne Auflage eingestellt werden soll, gaben ebenfalls ihre für die Einstellung des Verfahrens nötige Zustimmung. Es handelt sich um sechs Mitarbeiter der Stadt Duisburg sowie einen Mitarbeiter des Loveparade-Veranstalters Lopavent.

Bei der Loveparade am 24. Juli 2010 in Duisburg gab es am einzigen Zu- und Abgang zum Veranstaltungsgelände eine verheerende Massenpanik. 21 Menschen kamen damals ums Leben, mindestens 652 wurden verletzt. Die Richter warfen den Verantwortlichen "kollektives Versagen" vor.

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