Angehörige im Loveparade-Prozess:"Wir wollten eine korrekte Aufklärung"

Der Prozess um die Katastrophe bei der Loveparade wird gegen die Mehrheit der Angeklagten eingestellt. Ein Vater benennt die Fragen, die jetzt wohl nie beantwortet werden.

Von Benedikt Müller, Düsseldorf

Es geht ihm nicht um Rache, betont Klaus-Peter Mogendorf, als er an diesem Mittwoch vor die Öffentlichkeit tritt. "Wir wollten in erster Linie eine korrekte Aufklärung." Warum starb sein Sohn Eike? Warum wurde er im Gedränge bei der Loveparade erdrückt, so wie 20 weitere Menschen? Warum hatten die Bauamt-Mitarbeiter die Planung genehmigt, obwohl sie lange Bedenken hatten? "Das sind so Punkte, die wir ganz gerne aufgeklärt haben wollten, was jetzt aber anscheinend nicht mehr möglich ist", sagt Mogendorf.

Das Landgericht Duisburg hat den Loveparade-Prozess gegen sieben der zehn Angeklagten eingestellt. Die Verfahren gegen sechs Beschäftigte des Bauamtes und den Kreativdirektor der Veranstalterfirma Lopavent endet ohne Urteil, weil die Angeklagten nach Auffassung des Gerichts allenfalls eine geringe individuelle Schuld trifft. So sehen es Richter und Staatsanwaltschaft. Demnach sei "kollektives Versagen" für die Massenpanik verantwortlich, bei der auch mehr als 650 Menschen verletzt wurden.

Mogendorf, Bauingenieur von Beruf, trägt einen dunkelblauen Pullover und hält die Arme verschränkt. Man verdanke dem Strafprozess "wichtige Erkenntnisse" über die Loveparade, sagt er. Und doch sei es ein Schock gewesen, als das Gericht Mitte Januar gar vorgeschlagen hatte, das Verfahren gegen alle zehn Angeklagten einzustellen. "Wir waren wie vor den Kopf geschlagen. Für eine solche Schlussfolgerung ist es zu früh."

In das entscheidende Sachverständigengutachten zur Loveparade sind Angaben von mehr als 500 Zeugen eingeflossen. Erst 59 davon hat das Gericht bislang angehört - - darunter war niemand aus dem Bauamt, kritisiert Mogendorf. "Es ist unverzichtbar, diese Sachverhalte weiter zu ermitteln", sagt der Vater. Allerdings kämpft das Gericht gegen die Zeit: Wenn es bis Juli 2020 kein Urteil fällt, werden die Vorwürfe der fahrlässigen Tötung und fahrlässigen Körperverletzung verjähren, genau zehn Jahre nach der Katastrophe.

Der Strafprozess geht nun noch gegen drei Beschäftigte der Eventfirma Lopavent weiter. Sie haben einer Einstellung nicht zugestimmt, setzen stattdessen auf einen Freispruch. Das liegt auch daran, dass Richter und Staatsanwaltschaft die Verfahren gegen sie nur gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt hätten, weil die drei Angeklagten - nach vorläufiger Auffassung - eine mittelschwere Schuld treffen könnte.

Einen Prozess ohne Urteil hatte der Vater schon vor Jahren befürchtet

Der Vorteil der jetzigen Entscheidung sei bezüglich der Verjährungsfrist, dass das Gericht nun auf die Genehmigung der Loveparade, für die Mitarbeiter der Stadt zuständig waren, keinen Schwerpunkt mehr legen müsse, sagt Henning Ernst Müller, Strafrecht- und Kriminologieprofessor an der Universität Regensburg, der den Prozess seit Jahren wissenschaftlich begleitet. Müller kritisiert, dass das Gericht das vorläufige Sachverständigengutachten noch nicht in die Verhandlung eingebracht hat - obwohl Richter, Staatsanwälte und Verteidiger auf dessen Grundlage über die Einstellung des Verfahrens entschieden haben. Den Schöffen und der Öffentlichkeit ist das Gutachten noch nicht bekannt.

Ein weiterer Punkt, den Müller anspricht: Es gehörte kein Vertreter der Polizei zu den Angeklagten, moniert Müller, obwohl eine Absperrungskette der Polizei zu dem tödlichen Gedränge beigetragen habe. Diese Ursache der Katastrophe benennt auch das Gutachten - freilich als eine von vielen.

Dass das Verfahren ohne Urteil zu Ende gehen könnte, hatte Mogendorf nach eigenem Bekunden schon vor Jahren befürchtet. Seine Familie werde mit dem Prozess abschließen. Aber der Verlust des Sohnes und die Folgen würden bleiben. "Wir werden den Rest unseres Lebens darunter leiden."

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