Hurrikan "Ida" in den USA:"So viel Wasser habe ich noch nie gesehen"

Im Großraum New Orleans herrscht nach dem Eintreffen des Hurrikans "Ida" gespenstische Dunkelheit, bis die Stromversorgung wieder funktioniert, könnte es Tage dauern. Für eine Schadensbilanz ist es noch zu früh.

Von Fabian Fellmann, Sophie Kobel

Videos aus Louisiana zeigen eine gespenstisch dunkle Gegend, in der sich der Grad der Zerstörung noch nicht einmal ansatzweise ermessen lässt. Seit der Hurrikan Ida am Sonntag an der US-Golfküste auf Land getroffen ist, sind eine Million Menschen ohne Strom. Ein Mann aus Houma westlich von New Orleans hat zum Beispiel im Dämmerlicht sein Haus gefilmt: Das Dach fehlt, in den Wänden klaffen Löcher, der Regen dringt ungehindert ein. Bis zum späten Sonntagabend fielen bis zu 30 Zentimeter Niederschlag, Flutwellen bahnten sich ihren Weg durch Straßen. Das Wasser riss ganze Häuser weg, die Sturmböen deckten Dächer ab und entwurzelten Bäume.

Ein erstes Todesopfer wurde nach wenigen Stunden gemeldet: Ein fallender Baum hatte unweit der Hauptstadt Baton Rouge einen Mann erschlagen, wie das örtliche Sheriff-Büro mitteilte. Es soll sich laut Medien um einen 60-Jährigen handeln.

Der Hurrikan weckte in Louisiana böse Erinnerungen. Auf den Tag genau 16 Jahre nach dem verheerenden Sturm Katrina traf er auf die Küste von New Orleans. Es ist der fünftstärkste Hurrikan der Geschichte auf dem US-Festland.

"Ich glaube nicht, dass es einen schlechteren Weg für den Sturm hätte geben können", sagt Deanne Criswell von der US-amerikanischen Katastrophenschutzbehörde Fema am Montagmorgen dem Sender CNN. Ida sei nicht nur als "extrem gefährlicher Hurrikan" der Stufe vier auf Land getroffen, sondern auch stundenlang ein Kategorie-4-Hurrikan geblieben. Der Sturm wütete mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 200 Kilometern pro Stunde über Louisiana.

Die Windböen knickten Strommasten um, im gesamten Großraum New Orleans wurde die Versorgung unterbrochen, in der 400 000-Einwohner-Stadt selbst lieferten lediglich einige Generatoren noch Elektrizität. Die meisten Menschen mussten sich mit Kerzen, Taschenlampen oder Gaslampen behelfen - oder in der Dunkelheit ausharren.

Hurrikan "Ida" in den USA: Umgeknickte Strommasten an einer Straße in Metairie, einem Vorort von New Orleans.

Umgeknickte Strommasten an einer Straße in Metairie, einem Vorort von New Orleans.

(Foto: Steve Helber/AP)

Das Energieunternehmen der Stadt teilte mit, das Netz habe "katastrophalen Schaden" erlitten. Wann es die Versorgung wieder sicherstellen kann, ist offen, einige Beamte sprachen von einer möglicherweise wochenlangen Unterbrechung der Stromversorgung. Notstromaggregate sollen nun sicherstellen, dass wenigstens die Pumpen weiter funktionieren, die die Siedlungsgebiete hinter den Dämmen schützen.

Gemeldet wurden außerdem mehrere Feuer, die unkontrolliert brannten. Öl- und Erdgasunternehmen in der Region haben die Produktion eingestellt. Befürchtet wird auch, dass in den Chemiefabriken in dem US-Bundesstaat giftige Substanzen austreten könnten.

Krankenhäuser voll mit Covid-Patienten

Besonders herausgefordert sind die Rettungsdienste. Einem Krankenhaus riss Ida das Dach weg, einige Patientinnen und Patienten mussten verlegt werden. In Zeiten von Covid ist das eine besondere Herausforderung: Das Personal musste Intensivpatienten während der Verlegung von Hand beatmen.

Louisiana ist aktuell einer der Corona-Hotspots im Land, was auch damit zusammenhängt, dass erst die Hälfte der Erwachsenen geimpft ist. Die Kliniken sind ohnehin schon an der Belastungsgrenze, und nun kommen auch noch Menschen dazu, die durch den Sturm verletzt wurden.

Die Behörden hatten die Bewohner vergangene Woche aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen. Doch mehrere Millionen harrten aus, einige Ortschaften verhängten darum Ausgangssperren. Die Bürgermeisterin von New Orleans, LaToya Cantrell, richtete am Sonntagabend eindringliche Appelle an die Einwohner, zu Hause zu bleiben und sich einen sicheren Ort zu suchen.

Hurrikan "Ida" in den USA: Ein Junge und sein Stiefvater versuchen in Saint Rose, eine Straße zu überqueren.

Ein Junge und sein Stiefvater versuchen in Saint Rose, eine Straße zu überqueren.

(Foto: Patrick T. Fallon/AFP)

Das wahre Ausmaß der Schäden war am Montagmorgen noch gar nicht absehbar, da Rettungs- und Bergungseinsätze erst nach Sonnenaufgang begannen. In vielen Gegenden waren die Notrufzentralen überlastet. Die Behörden riefen die Bürger wegen Überschwemmungen auf, ihr Leitungswasser vor dem Trinken abzukochen.

Weitere Opfer sind zu befürchten. In der Ortschaft La Place seien zahlreiche Menschen von den Fluten eingeschlossen, meldeten die Behörden. Auch Tim Kerner, der Bürgermeister des Ortes Jean Lafitte, zeigt sich entsetzt: "Wir haben schon früher Überschwemmungen und Stürme erlebt. Aber so viel Wasser habe ich noch nie gesehen", sagt er CNN. Da ein vom Wasser mitgerissenes Fahrzeug eine Brücke zerstört habe, säßen 200 bis 300 Einwohnerinnen und Einwohner fest. "Wir können keine Boote ins Wasser lassen, das wäre lebensgefährlich."

Katastrophenfall ausgerufen

US-Präsident Joe Biden rief am Sonntagabend für Louisiana den Katastrophenfall aus und versprach Bundeshilfe bei der Sturmbewältigung und dem Wiederaufbau.

Erst 16 Jahre ist es her, dass New Orleans fast komplett von Katrina zerstört wurde. Danach hatten die Behörden 14,5 Milliarden Dollar (12,3 Milliarden Euro) in den Ausbau von Schutzdämmen investiert. Inwiefern diese Ida standhalten, wird sich erst im Verlauf der nächsten Tage zeigen. Sorgen bereitet Fachleuten unter anderem, dass der Sturm Schiffe losgerissen hat, die Dämme beschädigen könnten. Das hatte sich bereits bei Katrina als Problem erwiesen.

Nach neun Stunden verlor Ida am Sonntagabend etwas an Wucht und verlangsamte sich auf 120 Kilometer pro Stunde. Er gilt nun nicht mehr als Hurrikan, sondern nur noch als tropischer Sturm der Kategorie 1. Eine große Bedrohung sei er aber trotzdem für Teile der USA. "Die Gefahr ist noch nicht vorbei", so Katastrophenschützerin Criswell. Der Sturm werde auf dem Weg in die US-Bundesstaaten Mississippi oder sogar Tennessee und West Virginia weiter viel Regen mit sich bringen. "Die Menschen, die sich im Einzugsgebiet des Sturms befinden, müssen sich also weiterhin über die Risiken im Klaren sein."

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