Großbritannien:Anklage gegen Fahrer von LKW mit 39 Leichen an Bord erhoben

Tote in Container in Großbritannien entdeckt

Großbritannien, Grays: Ein Zelt der Spurensicherung steht vor einem Lkw-Container, in dem 39 Leichen gefunden worden sind.

(Foto: dpa)
  • Nach dem Fund von 39 Leichen in einem LKW in Großbritannien ist Anklage wegen Totschlag gegen den Fahrer erhoben worden.
  • Die Polizei geht mittlerweile von Vietnam als Herkunftsland der Toten aus und spricht von einem "sich entwickelnden Bild".
  • Medien zitieren vietnamesische Familien, die Angehörige unter den Opfern vermuteten.

Bei den Ermittlungen nach dem Fund von 39 Leichen in einem Lkw-Auflieger in Großbritannien ist Anklage gegen den Fahrer des Transporters erhoben worden. Dem 25-Jährigen aus Nordirland wird Totschlag in 39 Fällen, die Beteiligung an Menschenhandel, Beihilfe zur illegalen Einwanderung sowie Geldwäsche vorgeworfen, teilte die Polizei in der Grafschaft Essex mit. Der Fahrer war unmittelbar nach dem Fund der Leichen festgenommen worden, zunächst unter Mordverdacht.

Neben dem Fahrer sind drei weitere Personen im direkten Zusammenhang mit der Tat festgenommen worden. Ein fünfter Mann wurde am Samstag in Irland auf der Grundlage eines Haftbefehls wegen einer mutmaßlichen anderen Straftat verhaftet. Die Polizei in Essex habe Interesse bekundet, auch ihn zu befragen.

Bei der Frage nach der Herkunft der Opfer konzentriert sich die Polizei inzwischen auf Vietnam. "Ich lege den Fokus im Moment auf die vietnamesische Gemeinschaft", sagte der für die Identifizierung der Opfer zuständige Polizeibeamte Martin Passmore. Andere Herkunftsländer kämen jedoch weiterhin auch in Frage. Die Polizei hatte am Donnerstag, einen Tag nach dem Fund, noch erklärt, alle 39 Toten hätten die chinesische Staatsbürgerschaft gehabt. China wollte die Herkunft der Menschen allerdings nicht bestätigen. Inzwischen spricht die britische Polizei von einem "sich entwickelnden Bild".

Die BBC berichtete am Freitag von sechs vietnamesischen Familien, die vermuteten, dass Verwandte unter den Opfern sind. Nach dem ursprünglichen BBC-Bericht äußerten weitere Familien ihre Befürchtung. Eine britische Organisation von Vietnamesen, VietHome, teilte mit, sie habe der Polizei Bilder von fast 20 vermissten Personen gegeben.

Ein katholischer Priester aus der abgelegenen Ortschaft Yen Thanh in der verarmten Provinz Nghệ An sagte der Agentur Reuters zufolge, er stehe in Verbindung mit Angehörigen der Toten. Sie hätten ihm berichtet, dass Verwandte zu dieser Zeit nach Großbritannien gelangen wollten und dass sie nun vergeblich versuchten, Kontakt zu ihnen aufzunehmen. Die Agentur AFP veröffentlichte Bilder eines Mannes, der seine Tochter unter den Opfern vermutet.

"Ich sterbe, ich kann nicht atmen"

Der BBC zufolge bestätigte eine Familie, dass sie 30 000 Pfund für das Schleusen einer jungen Frau bezahlt habe. Die junge Frau habe am Dienstag - nur Stunden vor dem Leichenfund - noch Kontakt über SMS-Nachrichten gehalten. "Ich sterbe, ich kann nicht atmen. Es tut mir sehr, sehr leid", habe sie an ihre Eltern geschrieben. Die Agentur AP zitiert einen Mann, dessen Sohn unter den Toten sein könne. Der Vater habe berichtet, dass sein 20-jähriger Sohn seit der vergangenen Woche nicht mehr zu erreichen war, als dieser gesagt habe, er werde in Paris zu einer Gruppe stoßen, die versuche, nach England zu gelangen. "Er hat oft zuhause angerufen, aber ich konnte ihn nicht erreichen, seit wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben." Der Sohn habe seine zentralvietnamesische Heimatprovinz Hà Tĩnh 2017 verlassen, um in Russland zu arbeiten, später sei er in die Ukraine gegangen, sagte der Vater der Nachrichtenagentur AP. Im April 2018 sei er nach Deutschland gekommen und dann nach Frankreich gegangen.

Detective Chief Inspector Martin Passmore von der Essex Police sagte, es sei ein Problem, dass möglicherweise Verwandte der Opfer selbst illegal in Großbritannien lebten und Angst hätten, sich bei der Polizei zu melden. Passmore sicherte deshalb zu, seine Behörde werde niemanden verfolgen, der sich in dem Fall an die Polizei wende und traf sich mit dem vietnamesischen Botschafter, um die Zusammenarbeit mit den Behörden in Vietnam zu vertiefen.

Die Leichen von 31 Männern und acht Frauen waren in der Nacht zum Mittwoch im Laderaum eines Kühllasters in einem Industriegebiet im Ort Grays östlich von London entdeckt worden. Die Umstände deuten stark darauf hin, dass es sich bei den Opfern um ins Land geschleuste Migranten handelt. Möglicherweise sind die Menschen im Laderaum erfroren, da der große Lkw-Sattelauflieger zur Kühlung geeignet ist. Offiziell bestätigt ist die Todesursache noch nicht.

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