SZ-Serie "Ein Anruf bei ...":"Es war surreal"

SZ-Serie "Ein Anruf bei ...": Eine Komposition wie auf Bildern von Eugène Delacroix: Lionel Messi mit dem WM-Pokal im Lusail-Stadion.

Eine Komposition wie auf Bildern von Eugène Delacroix: Lionel Messi mit dem WM-Pokal im Lusail-Stadion.

(Foto: Shaun Botterill/FIFA via Getty Images)

Mehr als 72 Millionen Likes, ein neuer Instagram-Rekord: Getty-Fotograf Shaun Botterill hat jenes Foto geschossen, das Lionel Messi als Erstes nach dem WM-Sieg postete.

Interview von Moritz Geier

Das beliebteste Bild auf Instagram, das war bis vor Kurzem ein simples braunes Ei vor weißem Hintergrund. 58 Millionen haben das Foto gelikt, und genau darum ging es auch: Ein Brite wollte mit dem Bild einen Instagram-Rekord aufstellen. Seit wenigen Tagen aber ist dem Ei der Rekord abhandengekommen. Neuer Spitzenreiter: Lionel Messi mit seinem ersten Post nach dem WM-Finale gegen Frankreich. Wie er den Pokal in den Nachthimmel reckt. Getty-Fotograf Shaun Botterill hat das Foto geschossen.

SZ: Herzlichen Glückwunsch, Herr Botterill, Sie haben auf Instagram das Ei von Platz eins verdrängt.

Shaun Botterill: Vielen Dank, von dem Ei hatte ich vorher noch nie gehört. Ich habe zwar einen Instagram-Account, aber nutze ihn nicht wirklich. Um ehrlich zu sein, kenne ich mich mit Instagram überhaupt nicht aus.

72 Millionen Menschen gefällt dort ein Bild, das Sie geschossen haben!

Es ist verrückt. Das sind mehr als die Bevölkerung von Großbritannien.

Beim Finale wuselten 220 Fotografen um den Platz. Ganz schön viel Konkurrenz.

Und alle hatten Messi im Blick! Nach dem Spiel habe ich ständig nach ihm Ausschau gehalten. Nach ihm und dem Pokal. Blöderweise waren irgendwann plötzlich zwei Pokale auf dem Platz. Jemand aus der Angehörigen-Entourage der Argentinier hat einen Fake-Pokal aus dem Publikum mitgebracht. Das war echt verwirrend.

Erzählen Sie doch mal, wie das Bild entstanden ist.

Messi saß nach der Zeremonie sehr lange bei seiner Familie. Irgendwann stand er auf und ging zu den Fans, die seinen Namen sangen. Ich wartete also in der Nähe des Tores vor der Werbebande und der Kurve mit den argentinischen Fans. Und dann ging alles sehr schnell. Messi duckte sich unter dem Tor durch, und plötzlich war er genau vor mir, auf den Schultern seines früheren Mitspielers Sergio Agüero. Es war surreal.

Ihr Bild erinnert sehr an die ikonischen Fotos von Maradona, der nach dem Finalsieg 1986 von der Menge durchs Stadion getragen wurde.

Auf so etwas hofft man natürlich immer. Dass einem als Fotograf so was mal passiert. Es gehört immer Glück dazu, man kann das nicht planen.

Große Bilder erzählen Geschichten, heißt es oft. Welche Geschichte erzählt Ihr Bild?

Das Foto zeigt Messis Erleichterung, er stand unter so großem Erwartungsdruck. Oft hat er ja etwas Schüchternes, aber hier sieht man einfach nur diese ehrliche Freude in seinem Gesicht, er identifiziert sich mit den Fans, die ihn feiern.

Dabei sind die Fans auf dem Bild gar nicht zu sehen.

Es waren fast nur noch die Argentinier auf der Tribüne vor ihm da. Zu dem Zeitpunkt hatten schon viele Fans das Stadion verlassen. Ich glaube, deswegen funktioniert der tiefe Blickwinkel auch so gut, weil dadurch die leeren Zuschauerränge nicht so ins Auge fallen.

SZ-Serie "Ein Anruf bei ...": Shaun Botterill, 55, aus Northampton arbeitet als Sportfotograf für die Agentur Getty. Seit 1994 hat er als Fotograf keine Weltmeisterschaft verpasst.

Shaun Botterill, 55, aus Northampton arbeitet als Sportfotograf für die Agentur Getty. Seit 1994 hat er als Fotograf keine Weltmeisterschaft verpasst.

(Foto: privat)

Messi hat das Bild für Instagram zugeschnitten, wird es dadurch besser oder schlechter?

Sein Zuschnitt ist clever, weil das Bild noch mehr Bedeutung hat, wenn nur er und die Trophäe zu sehen sind. Mir gefällt aber das weitwinkligere Original noch besser, weil es mehr Atmosphäre hat, mit dem Chaos um ihn herum, den Gesichtern, die bewundernd zu ihm aufschauen, und den gezückten Handys.

Die ganzen Handys haben Sie nicht genervt?

Nein, manchmal stören Leute mit Handys auf Fotos tatsächlich, aber hier gehört es dazu, es ist ein Bild aus dem Jahr 2022. Das unterscheidet es auch von den Maradona-Bildern 1986.

Mister Botterill, ist Messi denn nun the greatest of all time, der größte Spieler der Geschichte?

Puh, schwierig. Er gehört jetzt definitiv zu den ganz Großen, aber ich persönlich habe ein Faible für Maradona. 1986 hatte ich das Glück, ihn fotografieren zu können. Er war echt lustig und sehr fotogen!

Seit 1994 haben Sie keine Weltmeisterschaft als Fotograf verpasst. Welche Momente sind Ihnen in Erinnerung geblieben?

So viele! Deutschland 2006 war ein tolles Turnier. Als der Italiener Fabio Cannavaro den WM-Pokal in die Höhe gestreckt hat, bin ich vorne an den anderen Fotografen vorbeigerobbt, um in eine bessere Position zu kommen. Fotografen können verrückt sein. Und ein bisschen dreist musst du in diesem Beruf auch sein: Du musst immer versuchen, alle Möglichkeiten auszureizen.

Auf wen sollen sich die Fotografen denn stürzen, wenn Messi bald aufhören sollte?

Erling Haaland ist großartig! Verrückter Typ, der schwimmt auf dem Platz herum, und wo er hinkommt, richtet er Chaos beim Gegner an. Jude Bellingham gefällt mir auch, ein großer, physisch starker Typ, der aber sehr leichtfüßig über den Platz gleitet. Die beiden schauen immer super aus auf Fotos. Es ist wirklich ein Privileg, Topathleten fotografieren zu können. Weil sie immer etwas hinterlassen.

Weitere Folgen der SZ-Serie "Ein Anruf bei ..." finden Sie hier.

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