Süddeutsche Zeitung

Video aus Österreich:Linz geht viral

Ein umstrittener Imagefilm präsentiert die oberösterreichische Hauptstadt ungeschönt und unverschämt lustig. Verantwortlich für den Coup: ein CSU-Politiker.

Von Oliver Das Gupta

Der Taxifahrer, der in die Kamera raunzt, das aufgesprühte Graffito "Auslender raus" (sic!), der Senior, der sich über zwei küssende Frauen echauffiert und dafür Ringfinger sieht, die Dame, die in einem Café sitzt und mit Milchschaum auf der Nasenspitze über "Schnee" witzelt. Dazu kommentieren verschiedene Leute: Hier sei es "altmodisch" und ein "bissi rassistisch", das Image "könnte man noch besser machen".

Szenen aus dem knapp dreiminütigen Video, mit dem der Tourismusverband Linz nun für die oberösterreichische Landeshauptstadt wirbt. Ein Bruch mit der austriakischen Tradition der furchtbar faden Imagefilme, die krachlederne Idylle bei Sonnenauf- und Sonnenuntergang in Zeitraffer zeigen, garniert mit Kultur, Wellness und, natürlich, gemütlichem Speisen und Besaufen.

Das Video "Linz ist Linz" hingegen ist ein ungeschöntes Porträt, es spielt humorvoll mit urbanen Unzulänglichkeiten und Klischees, so wie es die Berliner Verkehrsbetriebe BVG schon seit Jahren perfektioniert haben. Das Imagefilmchen von Linz ist also sicherlich aus der Piefke-Hauptstadt inspiriert. Und Schnitzel kommt auch keins darin vor. "Ja, dürfen's denn dös?", fragt man sich nun in Österreich wie einst Kaiser Ferdinand.

In sozialen Medien geht die eigenwillige Stadtreklame längst viral, das Echo ist geteilt zwischen Begeisterung und Abscheu: Manchem scheint vor Empörung das Würstel aus dem Mund zu fallen, das Video wird "bösartig" genannt und "Schandwerbung". Ähnliches Bild in der Politik: Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger, ein Sozialdemokrat, geißelt den Film als "total misslungen". Die Kanzlerpartei ÖVP äußert sich bislang lieber nicht, dafür die FPÖ.

Die Kampagne müsse sofort gestoppt werden, dampft ein Linzer Stadtrat der rechten Partei. Aber selbst in der FPÖ gibt es differenziertere Sichtweisen. "Auch wenn mir nicht jede Passage des Videos zusagt, finde ich den jugendlichen und selbstironischen Ansatz persönlich spannend", sagt Manfred Haimbuchner, der Vize-Regierungschef Oberösterreichs. Die Kritik des sozialdemokratischen Bürgermeisters nennt der FPÖ-Mann süffisant eine "spießige Reaktion", schließlich förderte seine Partei angeblich gerne Kunstprojekte, "wenn es denn nur von links kommt".

Allerdings ist das Video nicht "links", wohl aber ein bisserl deutsch, ergo: doch etwas Piefke. Denn verantwortlich für das Projekt ist Georg Steiner, der Chef des Tourismusverbandes: Niederbayer und CSU-Stadtrat in Passau. "Meine Zielgruppe sind die Neugierigen", sagt Steiner, der darauf hinweist, dass am Ende des Clips die Linzer die Besucher "mit offenen Armen empfangen". Steiner sagt auch, Bundespräsident Alexander Van der Bellen habe Linz einmal das "moderne Österreich" genannt - und diese moderne, eigenständige Stadt zeige das Video. Der Erfolg gibt ihm recht: Fast 230 000 Mal wurde der Film bis Sonntagnachmittag allein bei Youtube aufgerufen. Und selbst die Deutsche-Presseagentur dpa berichtet inzwischen über das Image-Video. Und das ganz ohne Schnitzel.

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