Süddeutsche Zeitung

Limburgs Bischof Tebartz-van Elst:Furor anticatholicus

Lebe in Armut für die Armen, verkündet Papst Franziskus. Das Gebaren des Bischofs Tebartz-van Elst stellt dieses Programm in Frage und verstärkt die Wut gegen die katholische Kirche. Deren Image ist aber nicht wegen des Furors der Kritiker miserabel. Sondern weil es noch so viel mehr zu kritisieren gibt.

Ein Kommentar von Heribert Prantl

Der Papst ist schuld. Vielleicht wäre ohne Papst Franziskus die Kritik an diesem Bischof nicht so radikal ausgefallen. Vielleicht hätte es geheißen: So ist sie halt, die katholische Kirche - die in Deutschland zumal, gut gepolstert, reich bestückt. Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst und seine Stein gewordene Selbstdarstellung wären belächelt, bespöttelt und dann hingenommen worden - als skurrile Blüte eines überkommenen amtskirchlichen Absolutismus.

Ohne diesen neuen Papst hätte Franz-Peter Tebartz-van Elst als geistliches Musterexemplar einer Kirche gegolten, die Wasser predigt und Wein trinkt, und die hinter einem wohltönenden Gerede von der Liebe Gottes ihre Eigenliebe und ihren Egoismus verbirgt. Ohne diesen Papst wäre die Kritik an dem kleinen Kirchenfürsten in Limburg wohl bald wieder eingeschlafen. Wenn das nicht so ist, liegt das nicht nur an den pittoresken Details dieses Falls. Die Kritik schläft auch und vor allem deswegen nicht ein, weil der Papst und der Anspruch, den er an sich und die Kirche stellt, die Anklage gegen das System Tebartz-van Elst verkörpert.

Dieser Papst hat den Namen des Heiligen Franziskus angenommen, dessen Botschaft in krassem Widerspruch zum Prunk der Amtskirche steht: Lebe in Armut für die Armen. Diese franziskanische Botschaft ist das Programm, das Papst Franziskus verkündet. Die Übertreibungen und das unwahrhaftige Gebaren des Bischofs aus Deutschland stellen nun dieses Programm in Frage.

Der Bischof ist nur ein Repräsentant eines Systems

Das macht die frivole Bischofs-Posse so gefährlich für die Glaubwürdigkeit des Papstes. Der Fall des kleinen, sich groß dünkenden Bischofs von Limburg und die Lösung dieses Falls durch den Papst haben deshalb eine Bedeutung, die weit über diesen Fall hinausgeht - sie haben weltkirchliche Bedeutung. Im Hype der sich täglich verstärkenden Nachrichten über den Bischof und seine Bausucht verbirgt sich auch eine Ahnung dieser Bedeutung.

Es geht nicht nur um die Person dieses Bischofs. Er ist nur ein exaltierter und zugleich mediokrer Repräsentant eines Systems, dem Geld, Besitz und Vermögen immer wichtig waren und immer noch wichtig sind. Für dieses System ist der Bischof jetzt ein Risikofaktor geworden. Er lenkt den Blick auf die Merkwürdigkeiten eines Apparates, in dem einer wie Tebartz nicht nur Bischof werden, sondern auch uneingeschränkt und unkontrolliert schalten und walten konnte - weil die katholische Hierarchie eben so konstruiert ist. Andere Bischöfe sind klug genug, diese Macht nicht auszuspielen, sich zurückzunehmen, sich mit Beratungsgremien zu umgeben, auf die sie auch hören.

Das Gebaren des Limburger Bischofs hat den furor anticatholicus nicht ausgelöst, es hat ihn verstärkt; der Furor war schon da. Er ist von Exzessen nicht frei, aber gleichwohl berechtigt. Das Image der katholischen Kirche ist nicht wegen des Furors der Kritiker miserabel, sondern weil es so viel zu kritisieren gibt, dass selbst christkatholische Familien es als Unglück betrachten, wenn ein Sohn sich mit dem Gedanken trägt, Priester zu werden. Zuletzt haben die Missbrauchsskandale diese Kirche an den Rand der moralischen Insolvenz gebracht und zahllose untadelige, hochengagierte Seelsorger in Misskredit. Mit dem Fall Limburg setzt sich der Vertrauensverlust auf anderer Ebene fort.

Den Papst braucht man, um das Wohlgefühl der Moral zu bedienen

Die Bischöfe bewegen sich in einer Welt der Devotion, in einer klein werdenden, aber real noch existierenden brav-katholischen Welt, die immer noch vor ihnen auf die Knie geht - was viele Bischöfe dazu bringt, sich in einer heilen Welt zu wähnen. Das überkommene deutsche Staatskirchenrecht trägt seinen Teil dazu bei. Die Bezahlung des Bischofsgehalts durch den Staat, der staatliche Einzug der Kirchensteuer etc., etc.: all das suggeriert elitäre Normalität. Die Amtskirche ist weggerückt von ihren Gemeinden; sie will das (mit einigen Ausnahmen) nicht merken. Tebartz hängt nun dieser prekären Situation die Schelle an.

Warum kommt die Kirche für die Armen so gut an? Warum kommt der prassende Bischof so schlecht an? Wie passt die Begeisterung für den "Papst der Armen" und der Zorn über den "Bischof des Prassens" zum realen Desinteresse an den Armutsflüchtlingen im Mittelmeer, die durch die Nachrichten aus Limburg ins Hintertreffen geraten? Es ist wohl so: Den Papst braucht man, um das Wohlgefühl der Moral zu bedienen. Den Bischof Tebartz braucht man, damit man sagen kann: Solange es solche Bischöfe gibt, sind wir selbst nicht gefordert. Heuchelei ist nicht exklusiv bei der Kirche zu Hause.

Hätte man in Deutschland gern einen Bischof Franziskus, der die Politik irritiert? Oder ist die Politik froh, dass der nur Bischof von Rom ist?

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1794872
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 15.10.2013/kjan
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.