Limburgs Bischof Tebartz-van Elst:Abgebrüht oder ahnungslos

Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst

Franz-Peter Tebartz-van Elst: Ein Bischof, der gelogen hat oder ein Chef, der sein Bistum nicht im Griff hatte?

(Foto: dpa)

Ein überdimensioniertes Luxus-Projekt voller Sonderwünsche des Bauherrn: Dass der neue Limburger Bischofssitz richtig teuer wird, muss den Beteiligten von Anfang an klar gewesen sein. Die Frage ist nun, ob Tebartz-van Elst bewusst gelogen hat oder ob er sein Bistum nicht im Griff hatte.

Von Gerhard Matzig

Eine Explosion ist eine chemische Reaktion oder ein physikalischer Vorgang. Man braucht dazu Materie. Die Kosten für den neuen Limburger Bischofssitz werden aber in immateriellen Zahlen angegeben. Schon deshalb ist es Unsinn, von "explodierenden Kosten" zu sprechen.

Es gibt aber noch einen wichtigeren Grund, warum die Kosten nicht explodiert, also von angeblich 5,5 Millionen Euro auf mittlerweile mindestens 31 Millionen Euro gestiegen sein können: Die Baukosten müssten dem Bauherrn, das sind in letzter Konsequenz Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst und sein Diözesanbaumeister Tilmann Staudt, eigentlich in voller Höhe und auch von Anfang an bekannt gewesen sein. Alles andere ist recht unwahrscheinlich.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung soll dem Bistum bereits Ende 2010 klar gewesen sein, dass der Bau des Diözesanen Zentrums St. Martin gegenüber dem Limburger Dom deutlich mehr als 20 Millionen Euro kosten würde. Sollte das so sein, könnte man darüber spekulieren, ob Bischof Tebartz-van Elst dies gewusst und damit über Jahre hinweg die Unwahrheit gesagt hat - oder ob er die Kosten seines wichtigsten Bauprojektes nicht kannte oder kennen wollte.

Im einen Fall müsste man über einen Bischof diskutieren, der lügt, im anderen über einen Chef, der sein Bistum nicht im Griff hat. Der Diözesanbaumeister und auch der Architekt Michael Frielinghaus wollen dazu keine Stellung nehmen. Der Sprecher des Bistums erklärt, all dies werde der Prüfbericht zeigen, den nun eine von der Bischofskonferenz eingesetzte Kommission erstellen werde.

Die neue Kapelle - eine Art Kirche gewordenes Zweitauto

Im Grunde kann man Baukosten zumindest einigermaßen genau kalkulieren: Da ist die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB), die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI), das in der DIN 276 geregelte Baukostensystem, die Transparenz der Gewerkeausschreibung, Vergleichsangebote, Materialpreise, Quadratmeterangaben. Die Frage ist dann, ob einem das Ergebnis gefällt - und ob man es ehrlich kommuniziert.

Für das Limburger Diözesanbauamt, es überwachte den Bau, wäre eine Kostensteigerung auf 564 Prozent (also von 5,5 auf 31 Millionen Euro) ein Grund, den Architekten und/oder die Baufirmen zu belangen. Eine solche Klage ist aber nicht bekannt. Im Baurecht gelten Fehlerquoten von 30 Prozent (im Vorentwurfsbereich) beziehungsweise von 20 Prozent im Vergabe- und Ausführungsbereich als Maximum dessen, was man unter dem Begriff des alltäglichen Bau-Risikos für tolerabel hält.

Michael Frielinghaus ist der Architekt der imposanten, womöglich aber zu üppig geratenen Anlage auf dem Limburger Domberg. Sie besteht aus sanierten, umgebauten oder erweiterten Altbauten und aus neuen Gebäuden. Ein Park gehört dazu, das Diözesanmuseum, verschiedene Empfangs- und Konferenzräume, dazu Büros, ein Innenhof und Wohnräume. Eine Bischöfliche Kapelle gibt es obendrein. Ist dem Bischof der Gang in den Dom, ein paar Schritte entfernt von der neuen Kapelle, nicht zumutbar? In fast allen Bischofshäusern gibt es Kapellen, argumentiert das Ordinariat. Doch diese Kapelle mit ihrem steil aufragenden, schwarz eingedeckten Dach scheint eine Art Kirche gewordenes Zweitauto zu sein.

Ein überdimensioniertes Projekt voller Sonderwünsche des Bauherrn

Wer die Pläne der gesamten Anlage mit dem Blick des Architekten studiert, wer die Grundrisse und Abmessungen kennt, dazu die verwendeten Materialien, vom Muschelkalk bis zum Basalt und den edlen Hölzern, der weiß, dass man weder eine Designer-Badewanne noch einen geheimen zweiten Keller benötigt (den es nach Aussage des Architekten auch nicht gibt), um auf eine gewaltige Bausumme zu kommen. Die vom Bistum genannten 31 Millionen Euro sind daher keine Überraschung.

Ein derart komplexes, überdimensioniertes Projekt voller Eingriffe und Sonderwünsche des Bauherrn, die wiederum Umplanungen nötig machten - das alles unter Zeitdruck und auf einem hochproblematischen Baugrund sowie teilweise unter den naturgemäß strengen Augen der Denkmalpflege: Man würde sich eher wundern, wenn es eingedenk aller Luxus-Ausstattungen und Kunstanschaffungen bei den 31 Millionen Euro bliebe.

Zu glauben, so etwas sei für 5,5 Millionen Euro zu haben (eine Zahl, die das Bischöfliche Ordinariat noch im Sommer 2012 veröffentlichte), wirkt naiv. Von Anfang an muss den am Bau Beteiligten klar gewesen sein, dass dieser Kostenrahmen völlig unrealistisch ist. Das hätte einem jeder Baukostenrechner im Internet zeigen können.

Einige Millionen hätte man bei der Luxus-Inneneinrichtung sparen können

Das Projekt muss schon aufgrund seines Volumens und der soliden Ausführung (die man in Zeiten der Nachhaltigkeit auch gut finden kann) mit einem Betrag im gehobenen 20er-Millionen-Bereich kalkuliert worden sein. Es ist nicht anzunehmen, dass der Bauherr vom Architekten je eine deutlich niedrigere Summe genannt bekommen hat. Das gilt schon für die Vorgängerplanungen des inzwischen verstorbenen Diözesanbaumeisters von Eichstätt, Karljosef Schattner, und des Frankfurter Architekten Christoph Mäckler.

Einige Millionen Euro hätte man wohl einsparen können - vor allem bei den Sonderwünschen des Bischofs, die dann im Inneren zu einer bizarr teuren, dabei aber recht kitschigen, felsengrottenhaften Spektakel-Architektur geführt haben, die dem sonstigen Auftritt unangemessen sind. Ginge es hier um die Privatmittel eines Menschen, der sich im Firstclass-Bereich wohler fühlt als in der Holzklasse, man würde sagen: na gut. Aber hier geht es um kirchliche Mittel, nicht um Privatbesitz.

Die Öffentlichkeit ist sensibel geworden bei Baukostensteigerungen - siehe Elbphilharmonie, Berliner Flughafen, Stuttgart 21. Wobei es oft nicht um echte, unvermeidliche Steigerungen geht, sondern meist ganz bewusst Zahlen heruntergespielt und heruntergerechnet werden. Hauptsache, sie sind politisch opportun. Das wäre die eigentliche Lüge, der eigentliche Skandal, wie anderswo so auch in Limburg.

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