Süddeutsche Zeitung

Limburger Bischof Tebartz-van Elst:Wettrennen zum Papst

Der furchtbaren Geschichte vom Leben und Wirken des Limburger Bischofs bleibt nicht einmal diese bizarre Szene erspart: Tebartz-van Elst fliegt eilig nach Rom und versucht zu retten, was zu retten ist, bevor der Chef der Deutschen Bischofskonferenz eine Audienz bei Papst Franziskus hat. Doch gerade der lebt das Gegenteil von Prunksucht vor.

Von Matthias Drobinski

Der Showdown hat begonnen. "Im Laufe der Woche" werde der Bischof von Limburg nach Rom reisen, hieß es noch am Samstagabend bei der Pressestelle des Bistums, die am Sonntag korrigierte: Tebartz-van Elst sei schon im Vatikan eingetroffen. Der furchtbaren Geschichte vom Leben und Wirken des Limburger Bischofs bleibt also nicht einmal diese bizarre Szene erspart: Tebartz-van Elst und Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, liefern sich ein Wettrennen zum Papst; Tebartz-van Elst offenbar in der Hoffnung, dass gewinnt, wer als Erster ankommt.

Zollitsch flog indes ebenfalls am Sonntag nach Rom; am Donnerstag empfängt ihn der Papst bei einer schon länger geplanten Audienz. Dort wird er Franziskus erklären, warum ein Bischof nicht mehr tragbar ist, gegen den ein Strafantrag wegen Falschaussage an Eides statt läuft, der über Jahre hinweg bei den Kosten des neuen Bischofssitzes getrickst hat und den die Bild-Zeitung den "Protz-Bischof" nennt. Und Tebartz-van Elst wird - ja, was eigentlich?

Er wird sein Schicksal in "die Hände des Heiligen Vaters" legen, wie es eine Pressemitteilung des Bistums formuliert. Der Bischof sei "betroffen über die Eskalation der aktuellen Diskussion"; er bedaure, "dass viele Gläubige im Bistum und darüber hinaus unter der gegenwärtigen Situation leiden". Von Rücktritt ist jedenfalls keine Rede. Es hofft der Limburger Bischof wohl, dass es noch einmal so funktioniert wie Anfang September, als Kardinal Giovanni Lajolo, der frühere Papstbotschafter in Deutschland, nach Rom reiste - mit dem Auftrag, Frieden zu schaffen und dem in die Kritik geratenen Bischof den Rücken zu stärken. So berichteten es jene Gesprächspartner des Kardinals enttäuscht, die schon damals wünschten, Rom würde ein Machtwort sprechen. Nur hat sich die Lage für Franz-Peter Tebartz-van Elst innerhalb dieser sechs Wochen dramatisch verschlechtert.

Offenbar ein System von Täuschung und Lüge

Detail um Detail wird klar: Der Bischof hat, man kann sich dieses Eindrucks nicht erwehren, im Bistum Limburg ein System von Täuschung, Selbsttäuschung und Lüge errichtet. Es ist ein System, angetrieben von der Phantasie, dass die Bischofsweihe einen Menschen unangreifbar macht, dass der Satz, ein Bischof ergreife von seinem Bistum Besitz, auch im materiellen Sinn gemeint ist. Der Bischof hat von Anfang an die Öffentlichkeit, die Gläubigen und die meisten Mitarbeiter über die Kosten des "Diözesanen Zentrums St. Nikolaus" getäuscht.

Er hat getrickst, dem Domkapitel die Kontrolle über die Finanzen des Bischöflichen Stuhls entzogen und einem Dreiergremium aus Vertrauten des ehemaligen Generalvikars Franz Kaspar übertragen, die dann auch die wahren Zahlen nicht sehen sollten. Er hat offenbar alle, die Bescheid wussten, zum Schweigen verpflichtet. Er hat auch den Papst getäuscht, indem die Kosten so gestückelt wurden, dass sie nicht Rom mitgeteilt werden mussten.

Hinzu kommt der Antrag der Staatsanwaltschaft Hamburg auf einen Strafbefehl wegen Falschaussage an Eides statt, pikanterweise wegen eines Berichts des Magazins Der Spiegel über einen Luxusflug nach Indien. Die Lüge hat offenbar Struktur und System an der Spitze des Bistums. Das Medienecho ist desaströs für die gesamte katholische Kirche: ARD und ZDF haben sogar Sondersendungen über den Limburger Bischof gebracht. Ein "Brennpunkt" zur Kirche: Das gab es zuletzt bei der Papstwahl.

Wäre Franz-Peter Tebartz-van Elst Oberbürgermeister einer Stadt, er wäre schon längst zurückgetreten. Wäre er Manager eines großen Unternehmens, der Aufsichtsrat hätte ihn umstandslos gefeuert. In der katholischen Kirche aber geht das nicht so einfach. Der Papst muss über den Bischof entscheiden - er kann ihn des Amtes entheben oder er kann sein Rücktrittsgesuch annehmen. Auch Robert Zollitsch, der Bischofskonferenzvorsitzende, hat keine Weisungsbefugnis gegenüber seinem Amtsbruder; er kann sich nur beim Papst beschweren.

In Rom gibt es aber durchaus Kräfte, die dagegen sind, dass der Limburger Bischof resigniert - für sie hieße das, vor den Medien und der Welt einzuknicken. Der wichtigste Verbündete hier ist Gerhard Ludwig Müller, als Präfekt der Glaubenskongregation immerhin nach dem Papst und dem Kardinalstaatssekretär der drittwichtigste Mann der Kurie. Noch am Freitagabend nannte er die Vorwürfe gegen Tebartz-van Elst eine "Erfindung von Journalisten"; für die hohen Baukosten seien die Mitarbeiter und nicht der Bischof verantwortlich.

Längst geht es um mehr, bei diesem Kampf um Rom

Bei Müller schwingt da die eigene Konfliktgeschichte aus seiner Zeit als Bischof in Regensburg mit. Alleine steht er mit dieser Wahrnehmung aber nicht in der Kurie: Auch Papst Benedikt XVI. beklagte schon die "sprungbereite Feindseligkeit", die ihm selbst von Kirchenmitgliedern entgegenschlage. Und einige der unter Benedikt dienenden Kurienmitarbeiter denken ähnlich: Die katholische Kirche darf sich nicht vom Zeitgeist vorschreiben lassen, wer Bischof sein und bleiben darf und wer nicht.

Allerdings steht jetzt Franziskus an der Spitze der Kirche - der Papst, der zwei Zimmer im Gästehaus Santa Martha bewohnt, der sich in Klein- und Mittelklassewagen kutschieren lässt und neulich den Bischöfen sagte: "Seid nahe beim Volk und lebt, was ihr predigt!" Gelingt es Tebartz-van Elst nicht, den Papst zu überzeugen, dass die Medien eine einzige große Lügengeschichte erzählen, ist Franziskus im Zugzwang: Stützt er den Limburger, bekommt das Bild vom Papst, der eine bescheidene Kirche will, einen tiefen Kratzer.

Es geht ja bei diesem Kampf um Rom längst nicht mehr nur um die Frage, ob die Baukosten des Ensembles gerechtfertigt sind oder ob sich ein weltferner Gottesmann in einen idiotischen Streit mit dem Spiegel verrannt hat. Es geht um die Frage, ob ein Bischof sich derart in ein Lügensystem verstricken darf, ob er seine Amtsvollmacht als Allmachtsphantasie leben darf, ob ein Bau mehr der Selbstverherrlichung als der Ehre Gottes dienen darf.

Tebartz-van Elst hat eine Reihe höchst irdischer Sorgen - er hat aber auch ein geistliches Problem: Wie hat ein Bischof sein Amt zu führen? Kann jemand Bischof bleiben, dem Glaubwürdigkeit und Vertrauen der Gläubigen derart abhanden gekommen sind? Der eine Höflingswirtschaft aufbaut und ein System der Angst? Eines, bei dem über Jahre hinweg niemand den Mut fand zu sagen: So geht das nicht; in dem Kritiker als Querulanten und Glaubensverräter abgestempelt werden?

Es kommt die Frage hinzu, wie die katholische Kirche überhaupt mit ihrem Besitz umgehen soll, gerade in Deutschland, wo die 27 Bistümer und Erzbistümer 2012 fünf Milliarden Euro Kirchensteuer erhielten, wo bei einzelnen Bistümern sich über die Jahrhunderte Rücklagen und Fondsvermögen bis in Milliardenhöhe angesammelt haben. Oft wissen nicht einmal die Bischöfe, wie reich (manchmal auch: wie arm) ihr Bistum ist; so undurchsichtig sind die Finanzstrukturen. Das Erzbistum München-Freising hat schon vor einiger Zeit angekündigt, die Höhe der Rücklagen offenzulegen, das Bistum Essen hat es nun unter dem Eindruck der Tebartz-Affäre getan.

Auch viele Bauvorhaben stehen nun unter erhöhtem Rechtfertigungsdruck: Das Bistum Rottenburg-Stuttgart hat ein neues Ordinariat für fast 40 Millionen Euro gebaut - allerdings wurde von Anfang an kommuniziert, dass der Bau so teuer wird. Oder warum muss der Freistaat Bayern 6,5 der 8,7 Millionen Euro zahlen, die die Renovierung des pompös ungemütlichen Rokoko-Palais Holstein gekostet hat, wo nun der Münchner Erzbischof Marx wohnt - allerdings lediglich in drei möblierten Zimmern?

Der Berliner Kardinal Woelki wohnt in einer Dachwohnung

Die Fragen nach dem Besitz der Kirche und dem Lebensstil ihrer Repräsentanten hat mit Papst Franziskus eine neue Bedeutung erhalten, auch das ist eine der Wurzeln im Konflikt in Limburg. Dass ein Bischof nicht im Palast auf dem Domberg wohnen muss, zeigt der Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki: Der ist in den Arbeiter- und Migrantenstadtteil Wedding in eine nette Dachgeschosswohnung gezogen; die Miete geht an die katholische Aachener Wohnungsbaugesellschaft.

Ob Tebartz-van Elst am Ende dieser Woche noch Bischof sein wird? "Das kommt auf Kardinal Meisner an", sagt ein Vatikan-Insider. Joachim Meisner ist als Erzbischof von Köln Metropolit von Limburg, er hat also eine Aufsichtspflicht über Tebartz-van Elst. Und er sitzt in der römischen Bischofskongregation, die nun über den Limburger Hirten beraten muss.

Bislang hat Meisner die Kritik an Tebartz-van Elst als haltlos bezeichnet - nun sei er nachdenklich geworden, heißt es, auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet, Meisner rücke von Tebartz ab; ein Bistumssprecher hat dies naheliegenderweise nicht bestätigt. Und wenn Meisner doch auf der Seite des Limburger Bischofs bleibt? Der Gesprächspartner aus Rom denkt kurz nach, dann sagt er: "So oder so - es geht nicht mehr."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1793882
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 14.10.2013
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.