Limburger Bischof Tebartz-van Elst:Tricksen, täuschen, leugnen

Tebartz-van Elst ist ein Lügner: Für viele lässt sich aus dem Skandal um die teure Residenz des Limburger Bischofs nur diese Essenz herausfiltern. Doch ist der Geistliche wirklich ein kalter Zyniker - oder belügt er sich nicht vor allem selbst?

Von Matthias Drobinski

Der Bischof von Limburg ist ein Lügner. So sagen sie es jetzt in Limburg. Summiert man all das, was nun über Franz-Peter Tebartz-van Elst gesagt wird, da er bekanntgeben musste, dass der Komplex rund um sein neues Bischofshaus insgesamt 31 Millionen Euro kosten wird statt wie ursprünglich geplant fünfeinhalb, dann bleibt das als Essenz: Lügner.

"Wir sind durch den Bischof in Limburg hinters Licht geführt worden", erklären die drei Mitglieder des Vermögensverwaltungsrates, die eigentlich den Haushalt des Bischöflichen Stuhls prüfen sollen, aber den von 2012 noch nicht gesehen haben, geschweige denn den von 2013. "Das Vertrauen ist zerstört", sagt Pfarrer Reinhold Kalteier, der Sprecher des Priesterrats im Bistum - ein Gremium, das den Bischof unterstützen und beraten soll.

Ob der Bischof gelogen hat, darüber streitet Tebartz-van Elst mit dem Spiegel: Der Bischof hatte mit einer eidesstattlichen Erklärung das Magazin gezwungen, eine Gegendarstellung zu drucken; es ging um einen Flug zu den Armen in Indien in den Erste-Klasse-Sesseln der Lufthansa. Doch die Erklärung war offenkundig nicht richtig; die Staatsanwaltschaft Hamburg wird in den kommenden Tagen erklären, ob sie deswegen Anklage erhebt, eine Strafbefehl erlässt oder die Sache fallen lässt - nach Angaben des Kölner Stadt-Anzeigers soll ein Strafbefehl ergangen sein. Akzeptiert den der Bischof, ist er zwar nicht vorbestraft, aber doch empfindlich abgestraft.

Hinters Licht geführt, Vertrauen zerstört, Glaubwürdigkeit erschüttert, das sind für einen katholischen Bischof schwerwiegende Vorwürfe. "Du sollst kein falsches Zeugnis abgeben" heißt es im achten der Zehn Gebote. Der Kirchenlehrer Augustinus schrieb im 4. Jahrhundert nach Christus, die Lüge sei vor allem deshalb verwerflich, weil sie das Vertrauen in die Wahrheit menschlicher Rede zerstöre. Als Lügner dazustehen, der die Wahrheit über sein neues Bischofshaus bewusst verschwieg, zurechtbog, leugnete oder schlicht ins Gegenteil verkehrte, das ist für Franz-Peter Tebartz-van Elst eher noch schlimmer als zugeben zu müssen, dass die Kosten für das "Diözesane Zentrum St. Nikolaus" aus dem Ruder gelaufen sind.

Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst

"Du sollst kein falsches Zeugnis abgeben": Das Gebot ist in den Augen vieler dem umstrittenen Bischof Tebartz-van Elst zum persönlichen Problem geworden.

(Foto: Fredrik von Erichsen/dpa)

Dafür ließen sich noch Gründe finden. Die Alte Vikarie war ziemlich marode, als das Domkapitel beschloss, dass dort künftig der Bischof wohnen sollte. Der alte, Franz Kamphaus, hatte sich geweigert, aus den zwei Zimmern auszuziehen, die er im Priesterseminar bewohnte, aber der war nun pensioniert, und es gibt ja auch Gründe dafür, dass der Bischof vielleicht besser nicht bei den angehenden Priestern wohnt und alleine durch seine Anwesenheit jede Fete bremst. Bei der Sanierung des auf Fels gegründeten und am Abhang gelegenen Gebäudes gab es offenbar immer wieder Probleme. Und ist es nicht besser, solide zu bauen, statt in zehn Jahren billig hochgezogene Wände teuer zu sanieren?

Wie ein Kind, das alles will

Das aber war eben nicht alles. Der Bau auf dem Berg war bald sichtgeschützt und streng bewacht, offenbar sollte niemand so genau hinsehen können, was dort geschah. Und immer wieder drangen Geschichten über die vielen Extrawünsche des Bischofs hinaus in die Welt jenseits des Sichtschutzes. Die Geschichte mit dem Adventskranz hat da Symbolcharakter.

Sie soll so abgelaufen sein: Ursprünglich sollte der Kranz mit den vier Kerzen in den Wochen vor Weihnachten auf einem schmiedeeisernen Gestell ruhen. Kann der nicht auch von der Decke hängen?, fragte der Bischof. Im Prinzip ja, antworteten die Bauleute, das wird aber teuer, es war halt anders geplant. Ich will aber, antwortete der Bischof. Und so geschah sein Wille, das Dach wurde wieder aufgeschnitten und ein Flaschenzug für den Adventskranz eingebaut. Kindern, die alles wollen, kann man Grenzen setzen; einem Bischof der katholischen Kirche offenbar nicht so leicht.

Solche Geschichten erschüttern die Glaubwürdigkeit des Bischofs, die lange Reihe der Tricksereien im Großen wie im skurrilen Kleinen - wie die von den Koi-Karpfen im bischöflichen Teich, die, als sich Kritik regte, umgeteicht und durch Goldfische ersetzt wurden. Ja: Über die Jahrhunderte hinweg ruinierten sich Päpste und Bischöfe, um sich mit Kunst und Pracht zu inszenieren, und Religion ist, gerade in der katholischen Tradition, auch eine ästhetische Angelegenheit: Je schöner und kunstfertiger eine Kirche ausgestattet, das Messgewand genäht, der goldene Kelch geschmiedet war, umso näher fühlte man sich Gott. Heute aber kommt ein Bischof ins öffentliche Fegefeuer, wenn er so denkt. Erst recht, wenn in Rom Papst Franziskus statt in den Apostolischen Palast zu ziehen im Gästehaus wohnen bleibt, sich im Mittelklassewagen fahren lässt und in ausgelatschten Gesundheitsschuhen herumläuft. Es ist auch dieser Kontrast, der Tebartz-van Elst zum Problem geworden ist.

Der Bischof, ein Lügner? Zur Lüge gehört auch das Bewusstsein, die Kalkulation, die Täuschungsabsicht. Die Unwahrheiten, Verdrehungen und Spitzfindigkeiten sind nun zahlreich an der Spitze des Bistums Limburg, aber taugt der Bischof, der in der persönlichen Begegnung offen und zuhörend sein kann, zum kalten Zyniker? Mancher, der viel mit ihm zu tun hat, geht mittlerweile eher davon aus, dass da sich jemand in sein eigenes System verstrickt hat, in seiner eigenen Welt lebt, sich selber genauso belügt wie seine Umwelt - die infantilen Adventskranzwünsche passen ziemlich gut zu dieser These.

Noch tragbar für das Bistum?

Die Frage, ob Tebartz-van Elst zum Bischof taugt oder noch tragbar ist fürs Bistum, kann man aber auch mit dieser These kaum noch mit Ja beantworten. Entsprechend mehren sich die Stimmen derer, die dem Bischof den Rücktritt nahe legen, seit Neuestem gehören Jochen Riebel genauso dazu wie Pfarrer Kalteier, der den Priesterrat vertritt.

Diese Entscheidung, sagt der Münchner Kirchenrechtsprofessor Stephan Haering, kann aber letztlich nur der Papst treffen: Entweder er enthebt den Limburger Bischof seines Amtes, das geht aber nur bei schwer wiegenden Verfehlungen. Oder aber er nimmt das Rücktrittsgesuch des Bischofs an, "bei angegriffener Gesundheit oder aus einem anderen schwerwiegenden Grund" kann der Bischof bitten, auf das Amt verzichten zu dürfen.

"Der Papst kann aber auch einem Bischof nahebringen, dass es gut ist, auf das Amt zu verzichten", sagt Haering. Das sei zum Beispiel in Slowenien geschehen, wo der Vatikan mehrere Bischöfen den Rücktritt nahelegte - sie hatten mit hoch riskanten Spekulationsgeschäften das Geld der Gläubigen verzockt.

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