Limburg nach Tebartz:Desaster mit Langzeitwirkung

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Das Bischofshaus gegenüber dem Limburger Dom. Auf den neuen Hausherrn kommen viele Aufgaben zu. (Foto: dpa)

Bischof Tebartz-van Elst verlässt Limburg, doch die tiefen Wunden bleiben: Es geht nicht nur um Geld, sondern auch um die herrschenden Umgangsformen im Bischofssitz. Die waren "nicht nur verletzend" sondern "demütigend". Die Suche nach einem Nachfolger wird schwer.

Von Susanne Höll, Limburg

Steil ist die kleine Straße hinauf zum Limburger Dom und voller Menschen. Jedenfalls an einem dieser raren schönen Spätsommertage, an denen es nicht wie aus Kübeln regnet. Touristen in Dreiviertelhosen mit Kameras um den Hals, Gruppen zumeist älterer Leute, die sich mit dem letzten Wegstück plagen, Kinder schlecken Eis. Alsbald soll hier ein Möbelwagen anrollen, vorbei an dem kleinen Kiosk, Kurve nach rechts, Stopp vor der Anlage, dem inzwischen weltweit bekannten, mindestens 31 Millionen teuren Bischofssitz des ehemaligen Limburger Oberhirten Franz-Peter Tebartz-van Elst.

Niemand hat Tebartz-van Elst gesehen

Der Geistliche zieht um, nach Regensburg. Im September solle es so weit sein, hatte seine persönliche Sprecherin im Sommer erklärt. Wann genau? Stephan Schnelle, Sprecher des Bistums Limburg, zuckt mit den Achseln: "Wir wissen es nicht." Und wo ist er jetzt? Achselzucken. Niemand hat den Mann gesehen, der nicht nur sein Bistum, sondern die gesamte katholische Kirche in Deutschland in eine Krise gestürzt hat. Vielleicht ist er in seiner Wohnung und packt Kisten. Vielleicht ist er in Urlaub. Egal. Tebartz-von Elst geht. Affäre beendet? Beileibe nicht.

Die Kirchenoberen, hier und in Rom, werden noch lange Zeit und mit viel Kraft versuchen müssen, die tiefen Wunden zu heilen, die die Causa Tebartz geschlagen hat. Streit bis hin zur Feindseligkeit gab es um den Mann, der ein offenkundig autoritäres Regime in Limburg pflegte, die Unwahrheit sagte, über seinen Flug nach Indien und die Kosten seines Bischofssitzes. Gläubige verließen in Scharen die Kirche, Mitarbeiter sind verletzt und erschüttert, haben Vertrauen verloren, in die Führung und die Institutionen. Was sich hier ereignet habe, sei kein Betriebsunfall, sondern ein "Crash", sagte Bischof Manfred Grothe, der sich als apostolischer Administrator in Limburg nun um Klärung und Aussöhnung bemüht, im Frühsommer der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Wer jemals glaubte, die Limburger Dinge ließen sich in ein paar Monaten richten, irrte. Grothe richtet sich darauf ein, länger an der Lahn zu bleiben. Im kleinen Kreis habe er selbst gesagt, dass die Vorbereitungen für die Wahl eines neuen Bischofs wohl frühestens im Herbst 2015 beginnen könnten, erzählen Leute, die mit den Dingen vertraut sind. Bis dahin muss er selbst herkulische Arbeiten leisten.

So muss er eine Antwort auf die heikle Frage finden, was künftig aus dem Bischofssitz werden soll, der Anlage mit Privatkapelle, Privatwohnung mitsamt allerlei kostspieligem Schnickschnack. Vielleicht könnte es ein Begegnungszentrum werden, sagt Sprecher Schnelle. Vielleicht aber auch nicht.

Priester und Angestellte werfen Franz-Peter Tebartz-van Elst vor, sie als Limburger Bischof gedemütigt zu haben. (Foto: Imago/epd)

Denn etliche Mitarbeiter weigern sich, wie es heißt, das Haus zu betreten, in denen sie von Tebartz oder dessen Leuten einst geschurigelt wurden. Der Ton muss sehr rau gewesen sein. Die Art und Weise, wie Tebartz und der inzwischen ebenfalls ausgeschiedene Generalvikar Franz Kaspar mit Priestern und Angestellten umgegangen seien, "war nicht nur verletzend, es war demütigend", beschreibt der Limburger Gemeindepfarrer Hubertus Janssen, inzwischen im Ruhestand, die einstige Lage. Die Erinnerungen blieben in den Köpfen. "Man kann sich aus dem Schmerz lösen, aber vergessen kann man das nicht", sagt der gebürtige Niederländer.

Das Bistum hat ein Sorgentelefon eingerichtet

Die teure Immobilie ist für viele Gläubige zum Inbegriff der Katastrophe geworden. Thomas Schüller, einst Referent des allseits geschätzten Tebartz-Vorgängers Franz Kamphaus und nun Professor für Kirchenrecht in Münster, sagt: "Sie sollte erhalten bleiben, als Mahnmal dafür, wie Menschen sich verirren können, offen für Besuchergruppen, die sehen, wohin ein überzogenes Amtsverständnis führt." Dem neuen Bischof würde er, Schüller, freilich nicht raten, diese Wohnung zu beziehen.

Nichts wäre für Limburg schlimmer als ein neuer Streit. Denn der alte Zwist ist längst nicht beigelegt, etliche Mitarbeiter von Tebartz sind noch immer im Amt. Das Bistum hat ein Sorgentelefon eingerichtet, seit Montag dieser Woche können geistliche und weltliche Mitarbeiter anonym ihre Erfahrungen schildern.

Eine solche Hotline sei schön und gut, sagt Priester Janssen. Aber es seien noch zu viele Akteure in ihren Ämtern, die vom Tebartz'schen Wirken profitiert, ihn unterstützt, zumindest aber toleriert hätten. Ohne Versöhnung, so sagt Janssen, könnten die Wunden nicht heilen. Aber richtig sei auch: "Ohne Gerechtigkeit kann es keine Versöhnung geben."

Längst geht es nicht mehr hauptsächlich um die Millionen, die am Limburger Domplatz verbaut wurden. Die monetären Dinge werden sich regeln lassen. Die Kirche aber steckt in einer veritablen Vertrauenskrise. Wie viele Katholiken ihrer Kirche allein wegen des eigentümlichen Bischofs den Rücken gekehrt haben, weiß man nicht. Aber es dürften Tausende sein, nicht nur in Limburg. Die wird man sicher nicht zurückgewinnen können. Professor Schüller spricht von einem "Desaster mit Langzeitwirkung".

So etwas regelt man doch intern

Kritiker wie er, Pfarrer Janssen, der Frankfurter Stadtdekan Johannes von Eltz und einige andere, die das System Tebartz unerträglich fanden und schließlich auch öffentlich seinen Rücktritt forderten, haben selbst verstörende, auch schmerzende Erfahrungen mit ihrer Kirche gemacht. Man warf ihnen Nestbeschmutzung vor, Kirchenhass, Geltungssucht. Selbst diejenigen, die Zweifel am einstigen Bischof hegten, sagten: "Ihr habt ja recht. Aber das regelt man intern." Genau darin spiegele sich ein Problem der Kirche, das weit über Limburg hinaus gehe, sagt Janssen. "Wir müssen endlich die Barriere der Angst, der Geheimniskrämerei und der Drohungen durchbrechen." Man sei dabei, heißt es im Bistum. Immerhin seien inzwischen wieder Gespräche zwischen Mitgliedern den zerstrittenen Fraktionen möglich.

Der private Mariengarten des Bistums Limburg wurde für etwa 790.000 Euro umgestaltet und war als Privatgarten für den früheren Limburger Bischof Tebartz-van Elst geplant. (Foto: dpa)

Und dann gibt es noch ein Problem. Die Kirche muss sich Gedanken machen über die Besetzung ihrer Top-Jobs. Franz-Peter Tebartz-van Elst war augenscheinlich eine Fehlbesetzung, weder hierzulande noch im Vatikan fiel auf, dass dieser Mann für den Bischofsposten nicht wirklich geeignet gewesen sein konnte.

Bischof von Limburg - alles andere als ein Traumberuf

Politik und Wirtschaft haben schon viele Male erfahren müssen, welche fatalen Verwerfungen eine falsche Entscheidung beim Spitzenpersonal nach sich ziehen kann. Aber stärker als Politik und Wirtschaft sind die Kirchen auf das Vertrauen der Menschen angewiesen, schließlich fußt die gesamte Institution auf Glaubenssachen. Und wenn die Kirchenmitglieder den Glauben an ihren Bischof verlieren, nimmt das Unheil seinen Lauf.

Die Reihe derer, die Tebartz gern nachfolgen würden, dürfte nicht lang sein. Bischof von Limburg ist alles andere als eine Traumberufung. Manche mutmaßen, schlussendlich werde man einen wackeren, erfahrenen Geistlichen überreden müssen, nach Hessen umzuziehen.

Der Theologe Schüller analysiert die Lage kühl: "Wir haben nicht nur Priestermangel, wir haben auch einen Bischofsmangel." Es werde immer schwieriger, Kandidaten für diese Posten zu finden, die anspruchsvollsten, die die Kirche zu vergeben habe.

Das Jobprofil? Schüller listet auf: "Der Mann muss geistig gefestigt sein, schwer zu erschüttern, Führungskraft haben, große Personalerfahrung, Seelsorger sein, vertrauensvoll, authentisch und wahrhaftig." An der Lahn erwartet den Neuen außerdem noch Versöhnungsarbeit der ganz besonderen Art. Herkules-Arbeit also. Schüller sagt: "Man überlegt sich gut, ob man sich ein solches Amt überhaupt antun möchte."

© SZ vom 03.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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