Limburg/Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Eine Fachstelle für sexualisierte Gewalt und eine Ombudsstelle für Betroffene zählen zu den Vorschlägen, wie künftig im Bistum Limburg sexuelle Übergriffe und Missbrauch verhindert werden sollen. Mehr als 60 Maßnahmen schlagen die Wissenschaftler, Kirchenvertreter und Betroffenen vor, die fast ein Jahr den Umgang mit sexuellem Missbrauch im Bistum analysierten.
Am Samstag wurden die Ergebnisse des Projekts „Betroffene hören - Missbrauch verhindern“ in der Frankfurter Paulskirche an Bischof Georg Bätzing und Ingeborg Schillai, Präsidentin der Limburger Diözesanversammlung, übergeben. Von Arbeiten gegen Doppelmoral und Überwindung von Klerikalismus war in den Konzepten die Rede.
„Wir werden uns heute nicht auf die Schulter klopfen und sagen, es ist geschafft“, versicherte Bätzing, der zusammen mit Schillai Auftraggeber des in neun Teilprojekte unterteilten Unternehmens war. Es werde Rechenschaft abgelegt „und dies nicht hinter verschlossenen Türen“. Er werde für vorerst drei Jahre eine Unabhängige Diözesane Kommission berufen, kündigte Bätzing an. Neben zwei Betroffenen, zwei Externen des Projekts und zwei Mitgliedern des Diözesanrats werde er ein siebtes Expertenmitglied benennen. Diese Kommission werde die Umsetzung der Maßnahmen begleiten.
„Wir alle wissen, dass ein gutes Stück Arbeit auf uns zukommt und dass die Wege schmerzlich sein werden“, sagte Bätzing, der auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz ist. Schillai sprach von einem „Beginn der Ehrlichkeit“, nannte aber auch die Grenzen des Projekts: „Es wird nicht alles gut durch ein solches Projekt.“ Es mache keinen Missbrauch ungeschehen.
Dass auch die Arbeit des Gremiums an dem mehr als 400 Seiten langen Bericht nicht ohne Spannungen gewesen war, wurde bei der Übergabe deutlich: Der externe Projektleiter hatte sich vorzeitig entschieden, nicht mehr dabei zu sein, die externe Projektbeobachterin sprach von einem kompletten Versagen des kirchlichen Führungsmanagement beim Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt, zumindest bei einem Teil der Betroffenen war Enttäuschung hörbar.
„Kein einziger Fall sexualisierter Gewalt wird dadurch verhindert, dass Experten zusammensitzen und reden“, sagte die 20 Jahre alte Lisa Scharnagl. „Der heutige Beginn der Ehrlichkeit kommt zu spät für mich.“ Am Umgang mit den Betroffenen habe sich auch nach Bekanntwerden des Missbrauchsskandals wenig geändert - trotz der verschiedenen Leitlinien. „Es geht immer um den Ruf der Institution“, sagte Scharnagl am Rande der Veranstaltung zur Deutschen Presse-Agentur. „Ich gelte als die Nestbeschmutzerin.“
Die aus der Sicht vieler von Missbrauch betroffener Menschen gewünschte öffentliche Nennung der Täter und Vertuscher könne es aus juristischen Gründen nicht geben, sagte der Jurist Josef Bill zur Aufklärung von 46 erfassten Missbrauchsfällen. Die Klarnamen der Kleriker könnten nur dem Bischof als Auftraggeber des Projekts genannt werden.
„Wir haben bei unseren Untersuchungen ein unbeschreiblich großes Maß an Elend und Leid der oft schwer traumatisiert zurückgelassenen Betroffenen feststellen müssen“, sagte Bill und kritisierte das „Ausmaß fehlender Sensibilität und Ignoranz“ der Personalverantwortlichen der Kirche, die immer wieder Priester nach sexuellem Missbrauch von Kindern oder Jugendlichen in andere Gemeinden versetzten, statt sie auch juristisch zur Verantwortung zu ziehen.
Der Missbrauchsskandal hat wie wohl kein anderes Thema die Glaubwürdigkeit der Kirche als Institution gerade bei vielen Gläubigen erschüttert. Als Konsequenz beschloss die Bischofskonferenz im vergangenen Jahr den „Synodalen Weg“, einen Reformprozess, der sich mit Machtmissbrauch, der Rolle von Frauen in der Kirche, der Aufarbeitung des Missbrauchskandals und der Sexualmoral der Kirche befasst.