Nach der Explosion in Leverkusen:Warum es Chemieparks gibt - und wie sicher sie sind

Leverkusen, Nordrhein-Westfalen, Deutschland - Bayer Chempark Leverkusen, Werksgelände am Rhein, ein Drittel der gesamte

Der Chempark am Rhein: Ein Drittel der gesamten Chemieproduktion in Nordrhein-Westfalen findet hier statt.

(Foto: Rupert Oberhäuser/imago)

Chemieparks entstanden in den Neunzigerjahren, um die Risiken des Geschäfts in den Griff zu bekommen. Nach der Detonation in Leverkusen fragen sich viele: Was sind das eigentlich für Orte?

Von Elisabeth Dostert

Ein Teil des Wortes verspricht Grünes: Bäume, Wiesen, Bänke zum Verweilen. Chemieparks sind aber so ziemlich das Gegenteil, sie wirken manchmal wie auf dem Reißbrett entworfen. Gerade, lange Straßen. Kilometerlange Rohrleitungen, Schienen, Türme, in denen chemische Prozesse stattfinden. In Deutschland gibt es nach Angaben des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) 35 Chemieparks. Nach der heftigen Explosion in einer Leverkusener Sondermüllverbrennungsanlage gab es für die Anwohner vorerst zwar Entwarnung. Die Behörden gehen davon aus, dass kein giftiges Dioxin über nahe Stadtteile geregnet ist. Doch noch immer ist die Frage offen, ob gesundheitsgefährdende Stoffe freigesetzt worden sind. Chemieparks in ganz Deutschland stehen damit auf einmal im Fokus der Öffentlichkeit. Was sind das eigentlich für Orte? Und wie sicher sind sie?

"Die meisten entstanden in den 1990er-Jahren aus wirtschaftlichem Druck und um die wachsenden Umweltauflagen zu erfüllen", sagt Horst Wildemann, der an der TU München Betriebswirtschaft lehrt und Chef der Beratungsfirma TCW ist. In solchen Konglomeraten könnten die dort angesiedelten Firmen die Standards leichter erfüllen, weil ein Betreiber zentrale Dienste anbiete. Currenta etwa, der Betreiber des "Chemparks" mit den Standorten Leverkusen, Dormagen und Krefeld-Uerdingen, kümmert sich unter anderem um die Entsorgung von Abfällen, Transporte innerhalb des Standorts, die IT, versorgt Firmen im Park mit Druckluft, wartet Anlagen und setzt sie in Stand und erledigt Sicherheitsdienste an den Toren des Parks. Der Betrieb von Chemieparks in Deutschland unterliege den "höchsten Sicherheitsstandards" und finde in enger Zusammenarbeit mit den Behörden und der Öffentlichkeit statt, heißt es von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE).

Um einen Konzern, viel älter als der Park selbst, siedelten sich Mittelständler, Zulieferer, Abnehmer und Dienstleister an, erläutert Wildemann. Das ist auch in Leverkusen so. Der Kern des Chemieparks sind Werke des Dax-Konzerns Bayer und der von ihm in den vergangenen Jahrzehnten abgespaltenen Gesellschaften Covestro und Lanxess. Nach Angaben der Betreibergesellschaft Currenta, Stand Mai 2020, arbeiten auf dem 480 Hektar großen Gelände rund 200 Betriebe mit mehr als 31 500 Mitarbeitern. Bis 2019 gehörte Currenta zu 60 Prozent Bayer und zu 40 Prozent Lanxess. Dann verkauften sie den Betreiber für 3,5 Milliarden Euro an einen Fonds der australischen Investmentbank Macquarie.

"Die Städte sind gewachsen, nicht die Parks."

Dass die Chemieparks heute häufig mitten in Städten liegen, hat oft historische Gründe. Ursprünglich bauten die Konzerne ihre Werke außerhalb der Stadt, wo Platz war und Flächen günstiger. Die Städte seien gewachsen, nicht die Parks, sagt Wildemann. Viele Chemieparks grenzten an Wohngebiete, weil die Entwicklung der Wohn- und Industrieanlagen oftmals über viele Jahrzehnte parallel verlief, heißt es von der IGBCE. Die Sicherheitsvorgaben, darunter etwa auch Abstände, seien über Jahrzehnte angepasst worden.

Ohne Bayer gäbe es Leverkusen und ohne BASF Ludwigshafen in ihrer heutigen Form nicht. Ein Unglück wie das in Leverkusen mit mehreren Toten sei tragisch, sagt Wildemann. Dennoch hält er Chemieparks für eine gute Sache, "gerade um das Risiko überhaupt in den Griff zu bekommen. Dass Chemie nicht risikofrei ist, dürfte jedem klar sein, der im Chemieunterricht aufgepasst hat". Chemieparks halten Wildemann zufolge die Risiken klein. Die in Deutschland gegründeten Standorte seien inzwischen "Blaupausen" für die ganze Welt. In China würden solche Industrieparks im großen Stil geschaffen und die "dezentral gelegenen Chemieunternehmen genötigt, dorthin umzusiedeln".

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