SZ-Serie „Ein Anruf bei …“:„Allô, hier ist Jacqueline“

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In Murbach, in der letzten Telefonzelle Frankreichs, gehen derzeit viele Anrufe ein. Mal nehmen Bewohner ab, mal Touristen. Und diese Katze scheint das Geklingel auch nicht zu stören. (Foto: Florian Bodenmüller/dpa)

In Murbach steht die letzte funktionierende Telefonzelle Frankreichs. Und es nimmt sogar jemand ab, wenn man anruft. Die SZ hat mal durchgeklingelt.

Interview von Veronika Wulf

In Frankreich gibt es noch genau eine funktionierende Telefonzelle. Und die steht in dem winzigen Dorf Murbach im Elsass. Man kann zwar niemanden von dort aus anrufen, sondern nur den Notruf wählen, aber man kann angerufen werden. Seit die französische Illustrierte Paris Match Anfang Juli darüber berichtete und die Rufnummer dazustellte, klingelt es mehreren Medien zufolge ständig in Murbach. Zeit, selbst mal durchzuklingeln. Zweimal nimmt niemand ab. Am nächsten Tag hört man plötzlich ein „Allô“ am anderen Ende der Leitung.

SZ: Bonjour, wer spricht da?

Jacqueline: Hier ist Jacqueline, ich bin Besucherin hier in Murbach, um die Abtei anzuschauen. Ein sehr schöner Ort. Waren Sie schon mal hier? Es lohnt sich. Warum rufen Sie an?

Ich bin Journalistin von der Süddeutschen Zeitung in München und würde gerne ein kleines Interview mit Ihnen führen.

Ah, die kenne ich. Okay. Was wollen Sie wissen, was kann ich Ihnen erzählen?

Vielleicht ein wenig über sich?

Ich wohne in der Nähe von Versailles und mache gerade mit meinem Mann und meiner Tochter zwei Wochen lang eine Tour durchs Elsass. Murbach ist das Ende unserer Reise, übermorgen kehren wir Richtung Paris zurück.

Haben Sie neben der Telefonzelle gewartet, bis jemand anruft?

Nein, wir haben hier zufällig geparkt. Wir hatten im Fernsehen eine Reportage über diese Telefonzelle gesehen, hatten aber wieder vergessen, dass das hier ist. Als wir die Zelle auf dem Parkplatz gesehen haben, waren wir total überrascht. Dann sind wir aber erst mal hinauf zur Abtei gegangen. Auf dem Rückweg wollte ich noch ein Foto in der Telefonzelle machen.

Liegt darin wirklich ein Heft, in dem jeder Anrufer notiert wird?

Ja, ich war gerade dabei, Ihren Anruf einzutragen.

Wie viele Namen stehen dort drin?

Ziemlich viele. Also heute … eins, zwei, drei, vier … ich bin die 15. Nein, halt, es sind noch mehr. Ganz schön viele Deutsche. Aber sie kommen von überall her. Italiener, Bretonen, Korsen, Spanier – sehr kosmopolitisch, das ist ja sympathisch.

Was ist sonst noch notiert?

Meistens nur der Name und wo die Menschen wohnen. Die Leute, die drangehen, haben sich auch teilweise verewigt. Hier ist ein Mann aus Perpignan, der bei der France Télécom gearbeitet hat, er hat auch die Reportage gesehen und ist anscheinend extra deshalb hergekommen. Bei uns war es ja purer Zufall.

Warum sind Sie drangegangen?

Na ja, ich habe das Klingeln gehört und da ist es natürlich verlockend dranzugehen. Es ist immerhin die letzte Telefonzelle in Frankreich, da fragt man sich natürlich: Ob da wohl jemand ist am anderen Ende der Leitung?

Darf ich fragen, wie alt Sie sind?

75.

Das heißt, Sie kennen noch die Zeit, als Telefonzellen ganz alltäglich waren.

Ja, von klein auf. Ich habe sie auch hin und wieder genutzt. Seit es Handys gibt natürlich nicht mehr, da sind sie dann ja auch verschwunden. Aber ich habe eh lieber von meinen Eltern aus telefoniert, die Telefonzellen waren oft kaputt.

Was sehen Sie, wenn Sie aus der Telefonzelle schauen, damit ich mir ein Bild machen kann?

Man sieht den Parkplatz, an dessen Rand sie liegt, die Straße und, etwas oberhalb gelegen, einen sehr schönen mittelalterlichen Garten, einen Klostergarten. Nun, jetzt weiß ich nicht mehr, was ich Ihnen über diesen Ort noch erzählen kann. Aber ich sage Ihnen, was ich in das Heft geschrieben habe: „Das alles ist einen Umweg wert: die Abtei, der mittelalterliche Garten und das Telefon, das wunderbarerweise geklingelt hat und das mir die Möglichkeit gegeben hat, mit einer Münchner Journalistin zu sprechen.“

Weitere Folgen der Serie „Ein Anruf bei …“ finden Sie hier.

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