Süddeutsche Zeitung

Leihmutterschaft:Kein Recht auf ein Leihmutter-Kind

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Der Europäische Gerichtshof lehnt die Klage eines italienischen Paares ab.

Von Thomas Kirchner, Straßburg

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Position von Ländern gestärkt, in denen eine Leihmutterschaft verboten ist. Die Straßburger Richter lehnten am Dienstag die Klage eines italienischen Paars ab, das in Russland ein Kind von einer Leihmutter zur Welt hatte bringen lassen. Die italienischen Behörden durften dem Paar das Kind wegnehmen, um das nationale Leihmutterschafts-Verbot durchzusetzen, entschied der Gerichtshof. Weder der Mann noch die Frau waren nämlich mit dem Kind biologisch verwandt. Da der Junge zudem erst wenige Monate bei den Wunscheltern gelebt hatte, überwiege in dem Fall das Interesse des Staates, "Unordnung zu verhindern", so das Urteil. Die Klage, dass das in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbriefte Recht auf Familienleben verletzt worden sei, wurde zurückgewiesen.

In der ersten Instanz hatte das Gericht noch das Kindeswohl in den Vordergrund gerückt. Ein Kind aus einer Familie zu nehmen sei eine extreme Maßnahme, die nur als letztes Mittel in Betracht kommen dürfe, hieß es in der damaligen Entscheidung.

Viele der Leihmutterschaftsfälle, die in den vergangenen Jahren in Europa vor Gericht kamen, waren rechtlich heikel. Im Reagenzglas ist viel mehr möglich, als Gesellschaften zu akzeptieren bereit sind. Es stellt sich auch ein politisches Problem: Wenn einige Staaten, auch Deutschland, Leihmutterschaften nun einmal nicht gestatten, aus moralischen Gründen oder weil sie eine Kommerzialisierung befürchten - dürfen Richter dies mit dem Verweis auf das Kindeswohl unterlaufen?

Die Eltern bezahlten für ihr Wunschkind 49 000 Euro. Dann nahm man es ihnen weg

Der kleine Junge im vorliegenden Fall wurde vor knapp sechs Jahren in Moskau geboren. Das Paar aus einem süditalienischen Dorf hatte zwar der Leihmutter den Auftrag erteilt, doch stammten sowohl Eizelle als auch Samen von unbekannten Spendern. Für den Gang ins Ausland hatten sich die Eheleute nach vergeblichen Versuchen mit künstlicher Befruchtung entschieden und weil ihnen eine Adoption zu lange dauerte. Die russische Firma, die die Sache organisierte, verdiente 49 000 Euro. Nachdem die italienische Justiz die in Moskau ausgestellte Geburtsurkunde für ungültig erklärt hatte, wurde dem Paar das Kind weggenommen. Die Behörden warfen den beiden eigennütziges Verhalten vor. Sie hätten mit dem Kind ihre Beziehungsprobleme lösen wollen. Der Bub wohnt seither bei Pflegeeltern, die ihn adoptiert haben.

In einem ersten Urteil hatten die Straßburger Richter Italien wegen Verletzung des Rechts auf "Familienleben" zu 20 000 Euro Schadenersatz verurteilt. Beim zweiten Mal entschied nun die Große Kammer des Gerichts. Demnach verfolgten die Behörden das legitime Ziel, "Unordnung" vorzubeugen und die Rechte anderer zu schützen. Zu Recht habe der italienische Staat darauf bestanden, seine Befugnis über die Anerkennung einer Elternschaft zu behalten. Diese sei nur gegeben, wenn es sich um eine biologische Abstammung oder eine rechtmäßige Adoption handle. Dies diene letztlich auch dem Schutz des Kindes.

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Quelle:
SZ vom 25.01.2017
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