Süddeutsche Zeitung

Leihe aus China:Die neuen Stars von Berlin sind schwarz-weiß

  • Berlin ist wieder im Panda-Fieber. 2012 starb der letzte Panda in Deutschland.
  • Die Haltung der Tiere ist anspruchsvoll.

Von Markus C. Schulte von Drach

Die Großen Pandas sind da. Endlich. Am Samstagnachmittag konnten sie in Berlin-Schönefeld ihr Flugzeug verlassen und werden nun im Berliner Zoo untergebracht.

Seit Herbst ist dort bereits laut Selbstdiagnose "Panda-Fieber" ausgebrochen. Auf der Homepage des Zoos wurden im Panda-Countdown sogar die Sekunden bis zur Ankunft der beiden Bären heruntergezählt.

Der Aufwand, der um das Weibchen Meng Meng (Träumchen) und das Männchen Jiao Qing (Schätzchen) betrieben wird, ist riesig. Schon seit klar war, dass China dem Zoo zwei der Tiere leihen würde, ist dort ein neues Panda-Gehege gebaut worden - für neun Millionen Euro. 15 Jahre sollen die Bären nun in Berlin bleiben. Fällig wird dafür eine Leihgebühr von je etwa 920 000 Euro - jährlich. Versorgt werden müssen die Tiere nun mit bis zu 40 Kilogramm Bambus täglich - Pandas fressen kaum etwas anderes. Und intensiv wird nun das Liebesleben der Tiere beobachtet. Zumindest sollen die Tiere in der richtigen Zeit zusammengebracht werden. Schließlich hofft der Zoo auf Nachwuchs.

Gestern war die Frachtmaschine der Lufthansa auf dem Weg von Peking nach Deutschland in Chengdu zwischengelandet, wo die zwei Pandas aus der dortigen Zuchtstation in ihren schweren Transportboxen darauf warteten, an Bord genommen zu werden. Begleitet wurden die Bären - es handelt sich genau genommen um "Große Pandas" oder "Riesenpandas" (Ailuropoda melanoleuca) - von dem Berliner Tierarzt Alexander Ochs und zwei chinesischen Tierpflegern. Es gibt noch eine zweite, kleinere Panda-Art.

Um die offenbar sensiblen Tiere, die für die lange Reise nicht extra betäubt wurden, zu schonen, startete und landete das Flugzeug in einem besonders flachen Winkel. In ihren Boxen sollten die Bären möglichst "nichts von dem mitbekommen, was um sie herum passiert", sagte Ochs.

Bis zum 5. Juli werden sie nun im Innengehege des Zoos in Quarantäne bleiben. Dann findet - eventuell in Anwesenheit von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Chinas Präsident Xi Jinping, der wegen des G20-Gipfels in Deutschland sein dürfte - die offizielle "Begrüßung" der Tiere statt. Anschließend steht den Bären auch die große Außenanlage mit künstlichem Fluss und Kletterbäumen offen.

Tierische Botschafter Chinas

Dass Besucher des Berliner Zoos nun wieder Pandas besuchen können, verdanken sie vor allem dem Interesse Deutschlands und Chinas an guten beiderseitigen Beziehungen. Denn die Tiere sind offiziell "stark bedroht" - weniger als 2000 dürften noch in den Bambuswäldern im Südwesten von China leben - und damit sind sie äußerst kostbar. Während Peking Pandas früher gelegentlich als Staatsgeschenke ins Ausland gab, werden seit 1982 nur noch wenige nachgezüchtete Bären an Zoos vermietet.

Zoodirektor Andreas Knieriem hatte sich, wie 2014 bekannt wurde, bereits um neue Pandabären bemüht, nachdem 2012 der letzte seiner Art in Deutschland, Bao Bao, im Berliner Zoo verstorben war. Der war zusammen mit einem Weibchen 1980 von China dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) überlassen worden.

Bei ihrem Besuch in China 2015 konnte Bundeskanzlerin Merkel am Rande der Gespräche über Wirtschaftsbeziehungen und die Lage in Syrien dann verkünden, es würde auch über ein Panda-Paar für den Berliner Zoo geredet. "Das ist nun ein ganz besonderes Stück China, was viele Menschen in Deutschland auch erfreuen wird", sagte Merkel.

Aus chinesicher Sicht sind die Pandabären ein besonderes Zeichen der Freundschaft zwischen beiden Ländern, die durch die Kritik aus Berlin an der Menschenrechtslage in China gelegentlich getrübt ist. In Deutschlands Hauptstadt sagte Chinas Botschafter Shi Mingde dazu im Frühjahr: "Pandabären sind Botschafter - manchmal sind sie sogar beliebter als der menschliche Botschafter."

Langjährige Erfahrung mit Pandas in Berlin

Bao Bao war bis 2012 ein Liebling des Publikums. Seine Gefährtin Tjen Tjen starb bereits 1984 an einem Virus. 1997 lieh China dem Zoo das Weibchen Yan Yan, das zehn Jahre später an einem Darmverschluss verendete. Zur Fortpflanzung zwischen Bao Bao und einem der Weibchen kam es nicht. Tatsächlich hat es sich als nahezu unmöglich erwiesen, Große Pandas in Gefangenschaft zur natürlichen Zeugung von Nachwuchs zu bewegen. In Europa ist das bislang ein einziges Mal in Wien gelungen - was einmal mehr belegt, wie schwierig die Haltung der Tiere ist.

Nur in der Paarungszeit finden sich die Tiere enger zusammen, die dann wenig Zeit haben, um Nachwuchs zu zeugen: Lediglich ein bis drei Tage im Jahr sind die Weibchen fruchtbar. In dieser Zeit muss ein passender Partner gefunden werden - was in den Zoos offenbar nur selten geschieht. Selbst bei der extrem eingeschränkten Auswahl sind die Tiere offenbar so wählerisch, dass sie lieber verzichten als "den da" oder "die da" zu nehmen.

Der Zoo der Hauptstadt hat mit den Pandas nun eine Attraktion, die sich gar mit dem vor sechs Jahren verstorbenen Eisbärn Knut vergleichen lässt - so die Hoffnung. Und man kann sicher sein, dass die Berliner vor allem das Liebesleben der Bären genau verfolgen werden.

Ein tieferes Verständnis für die Natur wird allerdings nach Ansicht von Zoo-Kritikern dadurch kaum gefördert. In diesem Fall werden zwei Bären in zwei getrennte Außenanlagen von je 5000 Quadratmetern gesperrt, die in freier Wildbahn Gebiete von mehreren Millionen Quadratkilometern durchstreifen. Das ist so, als würden die Menschen in die Küche gesperrt. Wenn auch mit vollem Kühlschrank.

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