Der Skandal: Es beginnt mit einer Warnung der niederländischen Lebensmittelaufsicht: Der Verzehr von Eiern mit dem Aufdruck X-NL-40155XX könne gesundheitsschädlich sein, heißt es am 1. August. Die betroffenen Chargen würden eine zu hohe Dosis des Insektizids Fipronil enthalten, das Schäden an Leber, Schilddrüse oder Niere verursachen kann. Wie das Fipronil ins Ei kam? Ein belgisches Unternehmen wird verdächtigt, das Insektizid einem unbedenklichen Anti-Läusemittel namens Dega-16 beigemischt zu haben, das in der Geflügelzucht eingesetzt wird. In den Niederlanden sperren die Behörden 180 Betriebe. Millionen belastete Eier gelangen in mindestens zwölf deutschen Bundesländern in den Handel. Auch in der deutschen Grafschaft Bentheim werden drei Höfe gesperrt, in denen das Mittel offenbar eingesetzt wurde. Der Schaden: Beim höchsten Fipronil-Wert, der in Belgien in Eiern gemessen wurde, sei eine gesundheitliche Gefahr für Kinder möglich, teilt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) mit. Übelkeit, Erbrechen, Schwitzen, Kopfschmerzen, Schwindel und Krämpfe können die Folge sein. Hierzulande wird eine akute gesundheitliche Gefährdung derzeit praktisch ausgeschlossen, da alle bisher festgestellten Werte niedrig genug liegen. Die Folgen: Zahlreiche Unternehmen - von Rewe und Penny bis Lidl und Aldi - haben vorsorglich Eier aus dem Sortiment genommen. Neu gelieferte Eier werden auf Fipronil getestet. Niederländische Geflügelhalter rechnen mit hohen Einnahmeverlusten. Der Bund Naturschutz fordert bessere Kontrollen beim Pestizid-Einsatz.
2014: Salmonellen
Der Skandal: Im Sommer 2014 erkranken Menschen in Deutschland, Österreich, Frankreich, Großbritannien und Luxemburg an ein- und demselben Salmonellentyp. Die Spur führt zu Bayern Ei, dem größten Hühnerhalter des Bundeslands. Heute steht fest: Es konnten auch deshalb so viele belastete Eier in den Handel gelangen, weil die bayerischen Behörden schlampten - allen voran das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), das sich mit den Salmonellen-Tests wochenlang Zeit ließ, die Öffentlichkeit nicht informierte und keine Eier zurückrief. Der Schaden: Hunderte Menschen erkranken an Salmonellose. Sie leiden an Bauchschmerzen, Erbrechen und Durchfall, in schlimmen Fällen folgt Blut im Stuhl, es kommt zum Kollaps, mindestens ein Mensch stirbt. Die Folgen: Im Januar 2017 erhebt die Regensburger Staatsanwaltschaft Anklage gegen Bayern-Ei-Eigentümer Stefan Pohlmann. Ihm wird Betrug, Tierquälerei und Körperverletzung vorgeworfen. Der Landtag setzt einen Untersuchungsausschuss ein, der die Rolle der bayerischen Behörden in dem Fall aufklären soll.
2013: Pferdefleisch
Der Skandal: Anfang 2013 entdecken Kontrolleure Pferdefleisch in Fertiggerichten britischer und irischer Supermärkte. Auch in Deutschland und weiteren europäischen Ländern müssen kurze Zeit später aus demselben Grund Lasagne, Gulasch und Ravioli aus dem Sortiment genommen werden. Der Schaden: Händler und Supermärte ärgern sich über finanzielle Einbußen - regionale Metzger freuen sich über neue Kunden. Insgesamt ist der Fleischkonsum in Deutschland auch durch die vermehrten Lebensmittelskandale seit Jahren rückläufig. Die Folgen: Die EU-Kommission kündigt im Nachgang an, die Deklarationspflicht für Fleisch verschärfen zu wollen. Wenige Monate später spricht sie sich doch gegen eine detaillierte Herkunftsbezeichnung aus, da die Preise für Fleisch dadurch drastisch steigen würden. Im Juli 2017 nehmen Ermittler von Europol 66 Verdächtige fest, die mutmaßlich zu einem internationalen Ring von Fleischbetrügern gehören und in den Skandal von 2013 verstrickt gewesen sein sollen.
2011: EHEC
Der Skandal: Fast sechs Wochen dauert es, bis die Behörden dem Darmkeim auf die Spur kommen: Nachdem im Mai 2011 Tausende Menschen an der Ehec-Infektion erkranken, tappt die eigens gegründete Task-Force lange im Dunkeln. Ein erster Verdacht fällt auf spanische Salatgurken - die Meldung stellt sich jedoch als falsch heraus. Der Gemüseproduzent, den die Fehleinschätzung fast die Existenz kostet, klagt auf Schadensersatz. Einige Tage später werden Bockshornklee-Sprossen aus ägyptischen Samen als Quelle identifiziert. Ein Gartenbaubetrieb im niedersächsischen Bienenbüttel hatte sie verkauft. Der Schaden: Bis das Robert-Koch-Institut Ende Juli 2011 den EHEC-Ausbruch für beendet erklärt, erkranken etwa 4000 Menschen an der Infektion, 53 von ihnen sterben. 855 Personen entwickeln das Gasser-Syndrom - eine lebensbedrohliche Schädigung der Niere. Noch heute leiden einige Patienten an den Spätfolgen: Sie haben regelmäßig Schlafstörungen, Kopfschmerzen und Konzentrationsprobleme, manche müssen nach wie vor zur Dialyse. In der deutschen Gemüseindustrie brechen im Zuge des Skandals die Umsätze ein. Da zusätzlich zu den Gurken auch Verzehrwarnungen für Tomaten und Salat ausgesprochen werden, haben Bauern große Schwierigkeiten, ihre Ernten zu vertreiben. Die Folgen: Seit der Krise müssen Lebensmittelhersteller selbst regelmäßig Ehec-Tests durchführen. Ärzte sind außerdem dazu verpflichtet, innerhalb von fünf Tagen Fälle von Ehec-Erkankungen beim Robert-Koch-Institut (RKI) zu melden. 2011 dauerte es teilweise bis zu zwei Wochen.
2011: Dioxin
Der Skandal: Ein schleswig-holsteinischer Betrieb verarbeitet 3000 Tonnen mit Dioxin verseuchte Fette und vertreibt sie an zahlreiche Futtermittelhersteller. Die Gifte stammen unter anderem aus Frittierfett und Industriefetten, die zur Biodiselproduktion dienen. Der Schaden: Mehr als 1000 Schweine- und Putenmäster sowie Legehennenbetriebe in ganz Deutschland werden vorübergehend gesperrt. Bauern klagen über Preisverfall. 8000 Hennen werden notgeschlachtet, Zehntausende Eier weggeschmissen. Die Folgen: Der Skandal beschädigt das Ansehen der Geflügelwirtschaft und erschüttert das Vertrauen der Verbraucher. Die Organisation Foodwatch fordert die damalige Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner auf, Futtermittelhersteller haftbar zu machen, wenn sie versehentlich Gifte in die Nahrungskette einbringen.
2005/2006: Gammelfleisch
Der Skandal: In den Jahren 2005 und 2006 wird in Deutschland immer wieder verdorbenes Fleisch in Kühlräumen, Verarbeitungsbetrieben und im Handel entdeckt. Ein bayerischer Geschäftsmann etwa hat jahrelang Schlachtabfälle neu etikettiert und in ganz Europa vertrieben. Der Schaden: Deutschlandweit gehen mindestens 20 000 Erkrankungen jährlich auf den Verzehr verdorbenen Fleischs zurück. Die Bundesvereinigung der deutschen Ernährungswirtschaft geht von bis zu 15 000 Tonnen bislang unentdecktem Gammelfleisch aus. Die Folgen: Ein Deggendorfer Fleischhändler wird zu vier Jahren Haft verurteilt. Infolge einer hitzigen Debatte werden die Lebensmittelkontrollen verschärft und ein Verfahren zur Erkennung von Gammelfleisch entwickelt. Während Supermärkte einen Rückgang des Fleischabsatzes verzeichnen, profitieren die kleinen Metzger. Im Dezember 2007 werden Dumpingpreise für Lebensmittel verboten.
2001: Hormone und Antibiotika
Der Skandal: 2001 werden bayerische Ärzte beschuldigt, Hormone, Impfstoffe und Antibiotika illegal an Schweinebauern verkauft zu haben. Besonders Antibiotika gelten in der Tierzucht als gefährlich, da sie Resistenzen beim Menschen verursachen können. Der Schaden: Die Weltgesundheitsorganisation bezeichnet die Unwirksamkeit von Antibiotika schon lange als dringliches Problem. Die Langzeitfolgen ihres übermäßigen Einsatzes in der Tier- und Pflanzenzucht sind nicht abzusehen. Die Folgen: Das Arzneimittelgesetz wird geändert, doch schon 2002 schockieren Funde von Kalbfleisch aus den Niederlanden, das mit Chloramphenicol belastet ist. Dieses Antibiotikum kann Allergien, Schädigungen des Knochenmarks und Fieber hervorrufen. 2005 findet die Zeitung Öko-Test bei einer Untersuchung von Schweineschnitzeln in jedem dritten Stück Spuren von Antibiotika. 2006 tritt ein europaweites Antiobiotika-Verbot für die Tierzucht in Kraft.
1996 - 2007: BSE
Der Skandal: 1996 sterben mehrere Menschen an einer neuen Form der Creutzfeldt-Jacob-Krankheit. Forscher vermuten, dass diese durch BSE-infiziertes Fleisch auf die Patienten übertragen wurde. Die Tierseuche BSE (bovine spongiforme Enzephalopathie) war 1986 in Großbritannien registriert worden, 1988 hatte die Regierung auf Grund einer Häufung von Fällen verboten, Tiermehl zu verfüttern. Dennoch breitet sich BSE schnell aus. Der Schaden: Bis 2007 sterben weltweit etwa 200 Menschen an den Folgen von BSE. Wegen der langen Inkubationszeit werden weitere Opfer befürchtet. Der Rindfleisch-Markt bricht zeitweise völlig zusammen, Zehntausende Rinder werden notgeschlachtet. Die Folgen: Die EU verhängt 1996 ein Exportverbot für britisches Rindfleisch. Dennoch wird 1997 das erste in Deutschland geborene BSE-Rind entdeckt. Bis 2000 kann die Seuche eingedämmt werden, dann bricht sie auf der Insel erneut aus. Im November 2000 wird auch in Deutschland ein BSE-infiziertes Rind entdeckt. Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) und Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD) treten im Zuge des BSE-Skandals zurück. Die EU verbietet die Verfütterung von Fleisch- und Knochenmehl.