Der Bauer Jan Vos aus Bruchem bei s'-Hertogenbosch hatte ständig Ärger mit der Roten Vogelmilbe. Sie machte seine Hühner krank, sie legten weniger Eier. Vor vier Monaten begann er, seine Ställe von der Firma Chickfriend aus dem niederländischen Barneveld reinigen zu lassen. Danach hatten die Parasiten keine Chance mehr. Vos war erfreut und staunte. Seit Jahren sucht seine Branche vergeblich nach einem wirksamen und zugleich erlaubten Mittel gegen die "Blutläuse", wie sie genannt werden. Als er die Chickfriend-Leute fragte, wie sie das geschafft hatten, hieß die Antwort nur: "Betriebsgeheimnis".
Wie Vos ging es vielen Züchtern in den Niederlanden. Vor einem Jahr begann sich herumzusprechen, was Chickfriend Tolles kann. Die 2014 gegründete Firma verwendete das übliche Antimilbenmittel Dega-16, das aus Eukalyptusöl und Menthol besteht. Besonders potent wurde es erst durch das beigemischte Insektizid Fipronil, das bei Hunden und Katzen, nicht aber bei "Lebensmittel liefernden Tieren" eingesetzt werden darf. So kam das Gift in die Eier.
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Lebensmittelindustrie:Fipronil im Ei, Pferdefleisch in der Lasagne
Ein Überblick über die größten Lebensmittel-Skandale der vergangenen Jahre - und ihre Folgen.
In der Branche sei allen klar gewesen, dass Dega-16 in diesem Fall einen Zusatz enthalten müsse, zitiert das NRC Handelsblad einen Experten. Ermittler in Belgien und den Niederlanden versuchen nun herauszufinden, wer am Anfang des Skandals steht: Chickfriend oder die Firma Poultry-Vision aus dem nordbelgischen Weelde, die Dega-16 lieferte? Hätte Chickfriend nicht wissen müssen, was in dem Mittel steckt?
Schon Anfang Juni fand die belgische Behörde für Lebensmittelsicherheit Spuren von Fipronil in Eiern. Am 20. Juli informierte sie die Justiz und die EU. Es kam zu einer Durchsuchung bei Poultry-Vision. Die Firma gehört Patrick R., früher selbst Züchter. In einem Lager an der niederländischen Grenze stießen Ermittler in dieser Woche auf 6000 Liter Fipronil. Laut NRC bezog er den Stoff unter dem Namen Fiprocid von der Firma Farmavet aus Bukarest, Rumänien. Ja, man habe Fipronil-haltige Mittel verkauft, bestätigte Firmenanwalt Pieter Helsen im niederländischen TV. Wurde der Kunde über den heiklen Inhalt auch korrekt informiert? Seines Wissens ja, sagte Helsen. Aber es sei "nicht Aufgabe des Herstellers, seine Kunden über die rechtlichen Beschränkungen aufzuklären", die für den Einsatz des Mittels gelten. Anzunehmen ist, dass beide Seiten wussten, was gespielt wird: Auf Rechnungen steht der Vermerk "fypro-rein". Chickfriend besteht aus zwei Teilen: "Chickfriend" bekämpft Vogelmilben, während "Chickclean" Ställe desinfiziert. Nur Chickclean hat das von der Geflügelbranche vergebene Qualitätssiegel IKB, das lückenlose Überwachung der Produktionskette garantieren soll. Die Eigentümer von Chickfriend, 25 und 31 Jahre alt, sind abgetaucht.