Lawinen:"Einfach nicht berechenbar"

Ein Sicherheitsexperte für Skigebiete erklärt, wie die Lawinengefahr einzuschätzen ist und warum man sich auf deutschen Pisten sicher fühlen kann.

Interview: Titus Arnu

Lawinenunglück in Südtirol

Bei dem Lawinenunglück am Samstag im Schnaltal in Südtirol sind eine Frau und ein Kind getötet worden.

(Foto: dpa)

In Südtirol verschüttete eine Lawine am Samstag mehrere Personen, die auf einer Talabfahrt unterwegs waren, für drei deutsche Urlauberinnen, eine Frau und zwei siebenjährige Mädchen, kam jede Hilfe zu spät. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft Bozen, wie es zu dem tragischen Unfall kommen konnte - die Betreiber des Skigebiets hatten die Piste als sicher eingestuft. Andreas König, Sicherheitsexperte des Deutschen Skiverbands, erklärt, wie die Lawinengefahr in Skigebieten einzuschätzen ist.

SZ: Herr König, wie können Betreiber von Skigebieten Pisten lawinensicher machen?

Andreas König: Hundertprozentige Sicherheit im Gebirge gibt es nicht. Es kann sein, dass an einer Stelle keine Lawinengefahr besteht, und drei Meter weiter ist es hochgefährlich. Skipisten gelten offiziell als "gesicherter Bereich", alles was außerhalb der markierten und präparierten Pisten liegt, gilt als freier Raum. Im Vorfeld beurteilen Lawinenwarndienste die allgemeine Lage und geben täglich einen Bericht heraus, der die Gefahr auf einer Skala von 1 bis 5 einschätzt. Am Wochenende galt für die Region in Südtirol, wo das Lawinenunglück passiert ist, die Warnstufe 3, erhebliche Gefahr.

Andreas Koenig

Andreas König, 47, ist Sicherheitsexperte des Deutschen Skiverbandes. Seit Jahren setzt er sich für einen sicheren Skisport ein.

(Foto: DSV aktiv)

Diese groben regionalen Empfehlungen sind hauptsächlich für Skitourengeher im freien Gelände relevant. Was sagen sie für die Piste aus?

Eine Einschätzung der Lawinensituation vor Ort kann der Warndienst nicht ersetzen. In Deutschland gibt es 33 regionale Lawinenkommissionen, die vor Ort die spezifischen Gefahren einschätzen. Aufgrund der Lawinenwarnstufe, des Wetterberichts und der Empfehlung der Lawinenkommission entscheiden die Betreiber, ob eine Piste geöffnet werden kann. In der Schweiz, in Österreich und Italien wird das ähnlich gehandhabt.

Was, wenn die Gefahr zu hoch erscheint?

Unter Umständen werden dann im Vorfeld in kritischen Zonen nach starken Schneefällen und Windverfrachtungen künstlich Lawinen ausgelöst. Besonders gefährdete Passagen, etwa unterhalb von steilen Felshängen, werden stellenweise baulich gesichert, durch Schutzmauern und Galerien.

Drei Lawinentote auf einer Piste, dazu noch zwei tote Skitourengeher bei Lawinengängen an einem Wochenende. Kann man diese Häufung erklären?

So tragisch das ist: Lawinen sind einfach nicht berechenbar. Momentan ist die Lawinensituation besonders am südlichen Alpenkamm sehr tückisch. Es gab dort in den höheren Lagen sehr viel nassen, schweren Neuschnee, dazu kamen starker Wind und schwankende Temperaturen.

Kann man sich auf einer gesicherten Piste überhaupt noch sicher fühlen?

Ja. In Deutschland gibt es seit 1967 die Lawinenkommissionen und den Lawinenwarndienst - seitdem mussten wir noch keinen Lawinentoten auf einer Piste beklagen.

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