Die Kulisse im schweizerischen Lauterbrunnen ist atemberaubend: Bis zu 400 Meter ragen hier die Felswände aus dem Tal empor, der Blick von unten wie von oben gilt als phantastisch.
Lauterbrunnen: Base-Jumping hat Konjunktur in dem Schweizer Ort, in dem nach mehreren Todesfällen die Diskussionen erst begonnen haben.
(Foto: Yesuitus2001/ CC-BY-SA-2.5)Das finden jedoch nicht nur gewöhnliche Touristen; seit einigen Jahren locken die landschaftlichen und geologischen Besonderheiten des pittoresken Dorfes im Berner Oberland immer mehr Menschen an, die bei diesem Blick weniger an Natur und Romantik als an einen Adrenalin-Stoß denken, sie kommen für den angeblich ultimativen Kick nach Lauterbrunnen: Base-Jumper, die oft fledermausähnliche Anzüge tragen und mit ihren Fallschirmen nicht von Flugzeugen, sondern von hohen Gebäuden, Brücken, Klippen oder eben von Felswänden in die Tiefe springen.
Nirgendwo sonst gibt es mehr Base-Jump-Tote
Der Angel-Wasserfall in Venezuela, der Eiffelturm in Paris, die Christus-Statue in Rio de Janeiro oder die Flüstergalerie im Inneren der Londoner St.-Pauls-Kathedrale - sie alle dienten bereits als Sprungbrett für waghalsige Jumper. Und das unscheinbare Lauterbrunnen hat sich mit geschätzten 10.000 Sprüngen im Jahr inzwischen zu einer Art europäischem Base-Jumping-Mekka entwickelt. Anders als in Deutschland, wo das sogenannte Objektspringen von einer Reihe von Genehmigungen, Gutachten und Versicherungen abhängt, herrscht in der Schweiz mehr Freizügigkeit. Daher locken steile Schründe wie die Mürrenfluh oder Staldenfluh nicht nur erfahrene Springer, sondern sogar Anfänger an.
Doch genau darin liegt das Problem: Denn nirgendwo auf der Welt verunglücken so viele Base-Springer tödlich wie in dem 2500-Seelen-Dorf. Allein vier Tote wurden bereits in diesem Jahr gezählt, 27 waren es seit Beginn dieses Sports vor etwa 20 Jahren.
Viele Anwohner fordern daher jetzt ein Verbot der Praxis, weil sie befürchten, dass es ihren Ort in ein schlechtes Licht rücken könnte. Einer von ihnen ist der Landwirt Matthias Feuz, der Augenzeuge des jüngsten Todessturzes wurde und im Interview mit dem Tagesanzeiger entsetzt erzählte, wie das Opfer an der Felswand "ein paar Mal angetätscht" ist, bevor es schließlich auf dem Boden aufprallte. Feuz spricht, wie andere hier, von einem "Todestourismus", den die Behörden verbieten sollten.
Petr Wälchli freilich will von einem Verbot nichts hören. Als Bürgermeister des Ortes liegt ihm zwar ebenfalls am Renommee seiner Gemeinde; aber er denkt dabei auch an die Einnahmen aus dem Touristikgeschäft. Jeder Sport in den Bergen, so sagte er, berge Gefahren. Auch beim Wandern oder Klettern gebe es tödliche Unfälle. Angesichts der "eine Million Übernachtungen und der zigtausend Tagesausflügler" könne er die Aufregung "wegen der paar Base-Jumper" nicht verstehen. Die Debatte dürfte noch nicht beendet sein.