Laos:Verschlungen vom Wasser

Fünf Milliarden Kubikmeter überschwemmen die Provinz Attapeu, als ein unfertiger Staudamm bricht - trotz Warnung. Hunderte werden vermisst, Tausende verlieren ihr Obdach.

Von Kai Strittmatter und Oliver Klasen

Vergleiche helfen oft, die Dimensionen einer Katastrophe verständlich zu machen, wenn es die Fakten alleine nicht vermögen. 5 000 000 000 Kubikmeter Wasser, so meldet es die staatliche Nachrichtenagentur in Laos, hätten sich ins Tal ergossen, nachdem der Xepian-Xe Nam Noy-Staudamm am Montagabend gebrochen ist. Fünf Milliarden Kubikmeter, das ist so viel Wasser, als hätten sich der Chiemsee und der Starnberger See zusammen über das Gebiet entleert.

Das Unglück ereignete sich in der Provinz Attapeu im Südosten des Landes, unweit der Grenze zu Kambodscha. Die Regierung befürchtet, dass zahlreiche Menschen ums Leben gekommen sind. Mehrere Dörfer seien überflutet worden; Hunderte Bewohner würden vermisst, heißt es in staatlichen Medien. Die englischsprachige Zeitung Laotian Times berichtet von mindestens 6600 Menschen, die obdachlos geworden seien. Noch sind alle Zahlen unsicher, offizielle Angaben gibt es nicht. "Wir sammeln Informationen", sagte ein Vertreter der Behörden in der mehr als 800 Kilometer entfernten Hauptstadt Vientiane.

Dammbruch in Laos

Fünf Milliarden Kubikmeter – das sind so viel, wie Chiemsee und Starnberger See zusammen fassen. In der Provinz Attapeu reicht das Wasser bis zu den Hausdächern.

(Foto: dpa)

Warum brach der Damm? Die Baugesellschaft teilte mit, schwere Regenfälle hätten den Kollaps des noch nicht fertiggestellten Bauwerkes ausgelöst. Es habe dreimal so viel geregnet wie üblich. "Wir haben Rettungsteams im Einsatz und wollen Menschen aus Dörfern unterhalb des Dammes in Sicherheit bringen", sagte ein Sprecher der Firma. Auch Regierungseinheiten versuchen, das Katastrophengebiet zu evakuieren. Bilder der amtlichen Nachrichtenagentur zeigen völlig überfüllte Boote und Menschen, die inmitten der Fluten auf Hausdächern auf ihre Rettung warten.

Laos ist eines der ärmsten Länder der Welt. Offiziell ist es noch immer eine sozialistische Einparteiendiktatur. Meinungsfreiheit und unabhängige Presse gibt es nicht, dafür mancherorts noch immer Hunger und Menschenrechtsverletzungen. Eines hat das am Mekong und seinen Zuflüssen gelegene Land bislang im Überfluss: Wasser. Die Regierung hat deshalb schon vor Jahren ein ehrgeiziges Programm zum Bau von Staudämmen und Wasserkraftwerken aufgelegt. 39 solcher Projekte sind bereits fertiggestellt, mehr als 50 weitere sollen in den kommenden Jahren dazukommen.

Internationale Organisationen warnen schon lange

Weil die Regierung damit Devisen verdienen kann, wird der im Land produzierte Strom größtenteils exportiert. Fast ein Drittel der laotischen Exporteinnahmen stammen aus dem Verkauf von Strom. Abnehmer ist vor allem das benachbarte Thailand. So wäre es auch bei dem Kraftwerk gewesen, das an dem nun geborstenen Damm geplant war und 2019 hätte den Betrieb aufnehmen sollen. Der Webseite der Betreiberfirma "Xe-Pian Xe-Namnoy Power" zufolge hätten 90 Prozent des Stroms nach Thailand verkauft werden sollen, nur zehn Prozent wären in Laos verblieben.

Internationale Organisationen warnen schon lange vor negativen Folgen des Staudammbaus in Laos. So seien einerseits Bestechung, Ineffizienz, Verschwendung und mangelnde Aufsicht bei großen Bauprojekten an der Tagesordnung. Auf dem Index der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International liegt Laos nur auf Platz 135 von 180 Ländern. Andererseits kommt es bei Großprojekten häufig zu Zwangsumsiedelungen. Radio Free Asia hatte im vergangenen Jahr von 100 Familien im Einzugsbereich des nun kollabierten Dammes berichtet, die den Befehl zur Umsiedlung erhalten hatten. Am Ende nahmen nur 20 von ihnen die ihnen zugewiesenen Ländereien an, die anderen protestierten: Ackerbau sei dort unmöglich, die von der Regierung angebotene Entschädigung zu wenig zum Überleben.

Kurz vor dem Dammbruch, so berichtet die Laotian Times, schrieb angeblich ein leitender Mitarbeiter der Betreiberfirma einen Brief an die Behörden. Einer der Hilfsdämme sei "unsicher und in einem sehr gefährlichen Zustand". Eine Warnung, die offensichtlich nicht gehört wurde.

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