Süddeutsche Zeitung

Lageso:Ehrenamtliche bestürzt über erfundenen Flüchtlingstod

  • Nach einem Tag der Ungewissheit bestätigt die Polizei: Es gibt keinen toten syrischen Flüchtling in Berlin.
  • Die erfundene Geschichte war von einem Flüchtlingshelfer auf Facebook gepostet worden.
  • Ehrenamtliche reagieren bestürzt, Berlins Innensenator Henkel fordert rechtliche Schritte.

Ein ehrenamtlicher Helfer, der sich seit mehreren Monaten in Berlin um Flüchtlinge kümmert, schreibt in einem Facebook-Beitrag, ein 24 Jahre alter Syrer sei gestorben, nachdem er tagelang vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales in der Kälte gestanden habe. Seine Helfergruppe, das Bündnis "Moabit hilft", verbreitet die Meldung weiter, die nach kurzer Zeit auch in den Medien aufgegriffen wird. Polizei, Feuerwehr und Berliner Sozialverwaltung suchen nach dem angeblichen Toten. Bis am späten Mittwochabend Gewissheit herrscht: Der Flüchtlingshelfer hat den toten Syrer frei erfunden.

Ehrenamtliche sind "fassungslos"

Das ist der Hintergrund einer Geschichte, die wohl ein Nachspiel haben wird. Bestürzt reagierte vor allem das Bündnis "Moabit hilft". In einer Pressekonferenz vor dem Lageso hatte sich die Gruppe noch hinter den Mann gestellt, der die Meldung über den toten Flüchtling verbreitet hatte. Wenn sich die Nachricht jedoch als falsch herausstelle, sei das eine Katastrophe für die Helfergruppe. Eine Katastrophe, die jetzt eingetreten ist.

In einer ersten Reaktion zeigte sich das Bündnis dann auch "fassungslos". Den Helfer, der den Fall erfunden hat, habe man in den vergangenen Monaten "als verlässlichen und integren Unterstützer an unserer Seite kennengelernt, der sich auf unterschiedlichste Weise für viele geflüchtete Menschen engagiert hat", heißt es in einer Mitteilung, die wieder via Facebook verbreitet wurde. "Wir kennen seine Motivation (...) nicht, und wollen dies auch nicht kommentieren."

Der Mann habe sein Facebook-Profil gelöscht und "war bislang für uns nicht zu sprechen", heißt es in dem Beitrag weiter.

Rechtliche Konsequenzen möglich?

Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) hat bereits rechtliche Konsequenzen für den Flüchtlingshelfer gefordert. "Das ist eine der miesesten und perfidesten Aktionen, die ich jemals erlebt habe", teilte Henkel mit. Die Berliner Behörden hätten über Stunden mit hohem Aufwand nach dem "erfundenen Lageso-Toten" gesucht.

Die Polizei, die den Mann am Mittwochabend befragt hat, sieht dagegen keinen Handlungsbedarf: Der Helfer habe zwar "die ganze Republik verrückt gemacht" - aber eine Straftat sei sein folgenreicher Internet-Eintrag nicht.

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