KZ-Häftlinge als Geldfälscher:Das richtige Leben des Fälschers

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"Endlich erzählt man meiner Geschichte." Der Oscar für einen Film über jüdische Falschgelddrucker im KZ ist für Abraham Sonnenfeld eine späte Genugtuung.

Thorsten Schmitz

Abraham Sonnenfeld hat die Gefangenschaft in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Ebensee überlebt. Es stimmt ihn allerdings traurig, dass er lange Zeit noch nicht einmal seine Familie dafür begeistern konnte, wie er das geschafft hat.

Szene aus dem oscargekrönten Spielfilm "Die Fälscher." (Foto: Foto: dpa)

Seine beiden erwachsenen Söhne wüssten zwar, dass der Vater im Dritten Reich Geld gefälscht hat und deshalb am Leben geblieben ist. Und auch die Enkelkinder würden die Geschichte "in groben Zügen" kennen. Für die Details aber hätten sich alle nicht sonderlich interessiert: "Ist ja auch viel zu kompliziert", sagt Sonnenfeld und erhebt sich vom rosa Sofa. Das Telefon klingelt ständig in letzter Zeit.

Denn plötzlich ist das von ihm beklagte Desinteresse an seiner Vita einer ziemlich breiten Neugier gewichen. Sonnenfeld, der in Givataim, einem Vorort von Tel Aviv lebt, muss sich erst noch daran gewöhnen, dass die Kinder und Enkelkinder nun Fragen stellen, dass sich am Telefon fremde Menschen melden und ihn zu Talkshows einladen.

Schuld daran ist der Film "Die Fälscher". Die österreichisch-deutsche Koproduktion lief im vergangenen Jahr in europäischen Kinos. Seit Donnerstag ist sie wieder in Deutschland zu sehen, weil der Film mit einem Oscar als bester fremdsprachiger Film ausgezeichnet wurde. Und vom nächsten Donnerstag an wird er nun auch in Israel im Kino laufen.

Zum ersten Mal hörte Sonnenfeld von dem Film durch seine Cousine in London. Eines Morgens rief sie ihn an und berichtete aufgeregt von "Die Fälscher", den sie am Abend zuvor gesehen hatte. "Abraham", sagte sie, "du musst den Film sehen. Endlich erzählt man deine Geschichte!"

Noch an demselben Tag surfte Sonnenfeld im Internet auf der Suche nach einer DVD. Als er den Film nach zwei Wochen in den Händen hielt, sagt er, "war ich so aufgeregt, dass meine Hände zitterten". Gemeinsam mit seinen Söhnen und den Enkeln sah er sich das Werk an, sozusagen mit Erfolg. Eine Enkeltochter sagte: "Opa, jetzt erst verstehe ich, wie du überlebt hast!" Der Film, sagt Sonnenfeld, sei eben "interessanter als meine trockenen Erzählungen".

"Das war wirklich so"

Sonnenfeld ist ein großgewachsener Mann, der mit 82 Jahren noch volles graues Haar trägt. Vierzig Jahre arbeitete er als Software-Ingenieur, seine Begeisterung für Technik ist unübersehbar. Auf dem Sofa im Wohnzimmer liegen zwei Laptops, im Arbeitszimmer steht ein PC. Er besitzt ein Handy, zwei schnurlose Telefone und ein konventionelles.

Auf einer Kommode steht ein riesiger Plasma-Fernseher, daneben eine Stereoanlage, und an den Wänden in Arbeits-, Wohn- und Schlafzimmer ticken digitale Uhren mit Temperaturanzeigen. Sonnenfeld wohnt alleine, seine Frau starb vor zehn Jahren. Die Technik hält ihn beschäftigt, und seit der Oscar-Nacht vor allem das Telefon. Auch verschollene Freunde machen seine Nummer ausfindig und melden sich bei ihm, nachdem sie ihn in israelischen Zeitungen und im Fernsehen gesehen haben.

Der Film "Die Fälscher" zeigt die absurde - und wahre - Geschichte einer Fälscherwerkstatt im Konzentrationslager Sachsenhausen, in der 144 jüdische Häftlinge im Auftrag des Reichssicherheitshauptamtes arbeiten mussten. Damit erzählt der Film auch die Geschichte von Abraham Sonnenfeld. Von den 144 Juden, die im KZ Sachsenhausen englische Pfund Sterling, dazu auch US-Dollar sowie Pässe und Dokumente fälschen mussten, sind nur noch drei am Leben. Sonnenfeld ist einer von ihnen, ein anderer ist Adolf Burger, der als Buchautor am Film mitgewirkt hat.

Dass Abraham Sonnenfeld noch lebt, hat er seinem Vater zu verdanken, der im damaligen Transsilvanien ein Druckhaus besaß. Als Jugendlicher jobbte er regelmäßig in den Sommerferien in der Druckerei. Bis die deutsche Armee einmarschierte, Juden enteignet und in Konzentrationslager deportiert wurden. Im Sommer 1944 wurde Sonnenfelds gesamte Familie nach Auschwitz geschickt. Noch heute erinnert er sich: "Dr. Mengele stand an der Rampe und selektierte mit einer Lust." Abraham Sonnenfeld, sein Vater und sein Onkel wurden als arbeitsfähig klassifiziert und sollten zwei Tage später in einen Steinbruch entsandt werden.

Doch dann geschah das erste von mehreren Wundern. Die KZ-Kommandanten stoppten den Transport und fragten, wer Drucker oder Grafiker sei. Die Sonnenfelds meldeten sich und bestanden einen Test an Druckmaschinen. Am nächsten Tag wurden sie ins KZ Sachsenhausen geschickt. "Wir durften in Personenwagen nach Sachsenhausen reisen, nicht in Viehwaggons", erinnert sich Abraham Sonnenfeld. Im Film sind die Neuankömmlinge fassungslos, als sie von der SS in die Baracken 18 und 19 geführt werden. Auf den Betten liegen frische weiße Laken und Kopfkissen, es gibt Duschen, warmes Wasser, Essen und saubere Toiletten. Sonnenfeld bestätigt: "Das war wirklich so!"

Die Freude, Auschwitz entkommen zu sein, wich allerdings bald der Erkenntnis, dass die Nazis mit den 144 jüdischen Häftlingen ein besonders perfides Spiel trieben. Die Baracken 18 und 19 waren ein KZ im KZ, umzäunt mit Stacheldraht, rund um die Uhr bewacht von SS-Schergen, die darauf achteten, dass die Fälscher keine Blüten klauten und sich beim Gang zu den Duschen nicht mit den regulären KZ-Insassen unterhielten. Die Fälscherwerkstatt, die nach SS-Sturmbannführer Bernhard Krüger als "Operation Bernhard" bezeichnet wurde, war ein hochgeheimes Unternehmen.

In die bis heute weltweit größte Fälscheraktion aller Zeiten waren nur die Spitzen der Nazi-Führung eingeweiht. In den Jahren zwischen 1943 und 1945 fälschten die 144 Juden rund 136 Millionen Pfund Sterling. Das entsprach damals dem vierfachen der gesamten Währungsreserven der Bank of England. England sollte mit dem Falschgeld überschwemmt werden, um die Wirtschaft zum Kollaps zu bringen. Später finanzierten die Nazis mit den Blüten ihren Vernichtungsfeldzug. Falschgeld in Umlauf zu bringen war allerdings nicht ihre Erfindung. Schon 1790 bis 1796 hatte England Falschgeld nach Frankreich geschleust, um die Französische Revolution zu sabotieren.

Abraham Sonnenfeld arbeitete oft nachts und sortierte die Blüten nach A, B und C. Noten, die in die A-Kategorie fielen, "waren Geldscheine, die auch Banken akzeptiert haben", berichtet er. C-Noten seien für den Abwurf über England bestimmt gewesen.

"Das Furchtbare war die Ungewissheit", sagt Sonnenfeld. Es sei klar gewesen, dass die 144 jüdischen Fälscher umgebracht werden sollten, damit das Staatsgeheimnis nicht in die Welt posaunt werde. "Uns ging es gut", sagt er, aber über uns schwebte das Damoklesschwert". Gegen Ende des Krieges, als sich die russische Armee von Osten her Berlin näherte, mussten die 144 Fälscher über Nacht die Geräte abbauen und wurden erst ins KZ Mauthausen, dann in das Nebenlager Ebensee gebracht.

In der Alpenregion wollten die Nazis in unterirdischen Stollen, die von jüdischen Häftlingen angelegt worden waren, ihr Raketenprogramm fortsetzen. "Einerseits waren wir optimistisch, weil wir wussten, dass wir denen wichtig waren. Andererseits", sagt Sonnenfeld, "andererseits waren wir Juden..." Die Alliierten schließlich befreiten die 144 Fälscher und die anderen KZ-Insassen. 1959 bargen Taucher einen Teil der Blüten und der Druckmaschinen im Toplitzsee in Österreich.

"Am Anfang", meint Sonnenfeld, "wollte uns keiner glauben, dass wir für die Nazis Geld gefälscht haben." Er sagt: "Gut, dass es jetzt wenigstens den Film gibt."

© SZ vom 03.03.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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