Mutmaßlicher Attentäter in Japan:Vom Krankenhaus ins Gefängnis

Mutmaßlicher Attentäter in Japan: 36 Menschen starben bei dem Brandanschlag in Kyoto im Juli 2019.

36 Menschen starben bei dem Brandanschlag in Kyoto im Juli 2019.

(Foto: BUDDHIKA WEERASINGHE/Buddhika Weerasinghe/AFP)

Zehn Monate ist es her, dass bei einem Anschlag auf eine Zeichentrick-Produktionsfirma 36 Menschen starben. Auch der mutmaßliche Täter hat nur knapp überlebt - jetzt könnte ihm der Prozess gemacht werden.

Von Thomas Hahn, Tokio

Shinji A., der mutmaßliche Massenmörder von Kyoto, hätte eigentlich gar nicht zu sehen sein sollen am Tag seiner Festnahme. Die Polizei hatte blaue Planen aufgehängt, um ihn vor den Blicken der versammelten Fotografen zu schützen. Aber das hat nicht ganz geklappt. Auch weil ein Helikopter der Zeitung Mainichi über dem Schauplatz kreiste, als A. auf einer Liege vom Bus ins Innere der Polizeistation von Kyoto-Fushimi zur Vernehmung gebracht wurde. Außerdem gab es einen offenen Spalt zwischen Plane und Gebäude, in dem A. kurz erschien. Bald veröffentlichten Japans Medien das Bild des Verhafteten: ein entstelltes Gesicht mit Schutzmaske und zwei Augen, die missmutig die Betrachter betrachten.

Zehn Monate ist es her, dass Shinji A., 42, aus Saitama nach den Erkenntnissen der Polizei mit einem Handwagen voller Benzinkanister das dreistöckige Studiogebäude der international angesehenen Zeichentrick-Produktion Kyoto Animation betrat, das Benzin auskippte, in Brand setzte und damit einen der verheerendsten Anschläge in der japanischen Kriminalgeschichte verübte. 36 junge Mitarbeiter des Anime-Unternehmens kamen ums Leben, 33 weitere Menschen wurden verletzt.

A. gehörte zu den Überlebenden, obwohl er seinen eigenen Tod wohl einkalkuliert hatte und schwerste Verbrennungen fast am ganzen Körper erlitt. Die Ärzte im Universitätskrankenhaus von Osaka mussten modernste Methoden der Hauttransplantation anwenden, um ihn zu retten. Dass das gelang, gilt in Fachkreisen als Überraschung und ist nun die Voraussetzung dafür, dass A. der Prozess gemacht werden kann.

Angeblich war Rache das Motiv für die Tat

Stehen kann A. immer noch nicht, aber immerhin sitzen, essen, sprechen. Seit er aus Osaka zurück nach Kyoto verlegt wurde, hat er so große Fortschritte gemacht, dass die Mediziner ihn guten Gewissens in die Haft entlassen können. Ermittlungsleiter Toshiyuki Kawase von der Präfektur-Polizei in Kyoto wittert sogar "Flucht- und Verdunkelungsgefahr" - deshalb kommt A. jetzt auch ins Gefängnis.

A. selbst muss zwischendurch richtig motiviert gewesen sein, ins Leben zurückzukehren. Nach Recherchen der Wochenzeitschrift Shukan Bunshun soll das vor allem an einer Krankenschwester in Osaka gelegen haben, deren Anwesenheit ihn aufgebaut habe. Von A. kursiert das Zitat: "Noch nie bin ich so nett behandelt worden." Nach der Zurückverlegung nach Kyoto war seine Laune dann aber wieder deutlich schlechter, denn er sah keine Perspektive für sich. In Japan gibt es die Todesstrafe.

Laut Polizei hat A. die Tat gestanden. Er habe alle Vorwürfe bestätigt und gesagt: "Ich dachte, ich könnte mit Benzin so viele Menschen wie möglich umbringen." Er habe sich dafür rächen wollen, dass Kyoto Animation einen Roman von ihm "gestohlen" habe. Die Firma hat dazu längst erklärt, dass sie im Rahmen eines öffentlichen Schreibwettbewerbs ein Manuskript von einem Mann mit dem Namen des mutmaßlichen Täters erhalten habe. Dessen Inhalt sei aber nie in eine Anime-Arbeit des Studios geflossen.

Zu A.s Festnahme erklärte die Produktionsfirma: "Wir haben nichts zu sagen zu dem Verdächtigen. Unsere Mitarbeiter, die ihr Leben verloren haben, werden nie mehr zurückkommen, und die Wunden unserer Kollegen werden nie verheilen." Man erwarte, dass A. im Strafverfahren mit maximaler Strenge zur Verantwortung gezogen werde. Japans Justiz wird nun über das Leben entscheiden, das die Ärzte gerade erst mit viel Aufwand gerettet haben.

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