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Kutschen-Unfall an Karneval:"Schuld ist der Mensch"

Nach dem Kutschen-Unfall beim Kölner Rosenmontagsumzug stellt sich die Frage: Sollte man Pferde bei solchen Veranstaltungen grundsätzlich verbieten? Ein Fachtierarzt für Pferde erklärt, was man beachten muss.

Interview von Anna Feininger

Was in diesem Jahr vom Karneval bleibt, ist auch, mal wieder, die Frage der Sicherheit. Diesmal geht es nicht um Terrorgefahr und Alkoholexzesse, diesmal geht es um Pferde. Beim Rosenmontagszug in Köln waren zwei von ihnen durchgegangen, das Gespann wurde zu einem gefährlichen Geschoss. Fünf Menschen wurden verletzt, vier weitere wurden laut Einsatzkräften psychologisch betreut. Augenzeugen berichteten, die Pferde seien mit einer Flasche beworfen worden. Wären pferdefreie Umzüge also besser für Mensch und Tier? Nachfrage beim Fachtierarzt für Pferde.

SZ: Herr Zeitelhack, was bedeutet es für ein Pferd beim Karneval dabei zu sein?

Michael Zeitelhack: Pferde sind Fluchttiere. Das heißt, wenn sie in Stresssituationen kommen, versuchen sie wegzulaufen. Das kann in großen, lauten Menschenmengen wie einem Karnevalsumzug durchaus vorkommen. Aber ab wann ein Pferd gestresst ist, hängt stark vom Charakter des Tieres ab: Es gibt gemütliche und weniger gemütliche Pferde.

Im vergangenen Jahr ist beim Kölner Rosenmontagszug ein Pferd kollabiert. Spricht das nicht für zu viel Stress?

Ich habe jetzt zwar keine Statistiken im Kopf, aber meiner Einschätzung nach passiert tatsächlich relativ wenig.

Erstaunlich, oder?

Wenn die Gesamtsituation stimmt, also Reiter und Pferd erfahren und eingespielt sind, muss man in der Regel keine Sorge haben, dass etwas passiert. Wenn ein Unfall mit Pferden passiert, ist der Mensch Schuld. In der Regel hat dann der Halter die Situation falsch eingeschätzt, die Vorbereitung war mangelhaft.

Gehört zu der Vorbereitung auch, dass man Pferde mit Medikamenten ruhigstellt?

Da habe ich selbst keine Erfahrungswerte für solche Veranstaltungen. Grundsätzlich ist die Vorstellung nicht verwerflich, Pferde für Veranstaltungen wie einen Karnevalsumzug zu sedieren. Oft wird das ja schon gemacht, wenn Pferde transportiert werden, wenn sie bei Arztterminen ängstlich sind oder nach längeren Verletzungspausen wieder geritten werden sollen und sonst zu übermütig wären. Gesundheitlich schadet das dem Pferd nicht, aber ethisch ist das eventuell schon zu hinterfragen.

Wann zum Beispiel?

Wenn Pferde nur der allgemeinen Belustigung bei einem solchen Umzug dienen. Meistens aber sind sie ja aus historischen, kulturellen Gründen da.

Wie macht sich der Stress bei Pferden bemerkbar?

Wie beim Menschen: Der Blutdruck steigt, sie werden nervös und suchen sich einen Ausweg. Als unerfahrener Laie können Sie aber nicht erkennen, ob ein Pferd bereits gestresst ist oder gleich ausbrechen wird. Letzten Endes ist das alles eine Sache des Trainings: Es bringt nichts, ein Pferd bei einem Rosenmontagsumzug mitzuschicken, das so was zum ersten Mal macht.

Wie bringt man Pferden Karneval bei?

Die Tiere müssen langsam an eine solche Situation gewöhnt werden. Die berittene Polizei ist mit ihren Pferden beispielsweise auch auf Einsätzen bei Fußballspielen unterwegs und die Tiere bleiben ruhig. Wichtig beim Angewöhnen sind Begleitpferde, die erfahren sind. Die unerfahrenen, jungen Pferde orientieren sich daran und lassen sich beruhigen. Das gilt nicht nur beim Rosenmontagszug in Köln oder der Wiesn in München, sondern ganz generell: Unerfahrene Pferde schauen sich bei den erfahrenen ab, was sie machen sollen, und verhalten sich entsprechend.

Was muss man beachten, damit ein Karneval für Pferd und Mensch gut läuft?

Pferde brechen immer nach vorne oder zur Seite aus. Wenn man sie also entlasten und Zuschauer schützen möchte, kann man eine Pufferzone von etwa drei bis vier Metern vor und neben den Pferden schaffen. Das reicht in der Regel immer aus, um ein Pferd wieder zu beruhigen. Ein Restrisiko besteht natürlich immer. Aber genauso kann es jederzeit passieren, dass ein Autoreifen platzt und Menschen verletzt.

Der NRW-Innenminister Herbert Reul von der CDU sagte nach dem Vorfall: "Ein Zug ohne Pferde ist Mist."

Tierschutz heißt ja nicht zwangsläufig, dass Pferde nur noch auf einer Wiese stehen müssen. Ich persönlich bin grundsätzlich nicht gegen Pferde beim Umzug und fände es auch sehr schade, wenn die Brauereipferde beim Münchner Oktoberfest fehlen würden. Man sollte Pferde auf Veranstaltungen auf keinen Fall grundsätzlich verteufeln.

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Quelle:
SZ vom 14.02.2018/afei
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