Kunst und Kriminalität:Sakko-Gangster überfallen Kunstmesse

Kunst und Kriminalität: Die Kunst- und Antiquitätenmesse Tefaf in Maastricht wurde nach dem Überfall von der Polizei evakuiert. Menschen kamen nicht zu Schaden, aber es fehlt Schmuck vom Stand eines Juweliers.

Die Kunst- und Antiquitätenmesse Tefaf in Maastricht wurde nach dem Überfall von der Polizei evakuiert. Menschen kamen nicht zu Schaden, aber es fehlt Schmuck vom Stand eines Juweliers.

(Foto: Marcel van Hoorn/ANP/AFP)

Vier Männer stürmen die Halle bei laufendem Betrieb und zertrümmern eine Vitrine: Nach dem Schmuckraub auf der Tefaf-Messe in Maastricht stellt sich die Frage, ob die Sicherheitsvorkehrungen ausreichend waren.

Von Verena Mayer

Die Messe "The European Fine Art Fair" (Tefaf) ist so etwas wie die Luxusboutique der Kunstwelt. Hier werden besonders wertvolle alte Gemälde und Kunstgegenstände ausgestellt, Museen und Sammler gehen gerne bei der Tefaf shoppen, um ihre Kollektionen zu vervollständigen. Es gab Jahre, da befanden sich zwei Drittel aller weltweit verkäuflichen Altmeistergemälde auf der Tefaf, und auch in diesem Jahr präsentierten die Veranstalter im niederländischen Maastricht stolz ihre Highlights. Ein Gemälde des italienischen Malers Luca Giordano etwa, das erst kürzlich in einer privaten Sammlung in Venedig aufgetaucht war, eine 600 Jahre alte Buddhastatue oder einen seltenen Tisch aus dem Paris des 19. Jahrhunderts.

Doch Schätze wie diese zogen bei der ersten Tefaf seit Beginn der Corona-Pandemie nicht nur den alten und neuen Geldadel an, der traditionell im Privatjet anreist, sondern auch mehrere Bewaffnete. So stürmten Dienstagmittag bei laufendem Betrieb vier Männer in die Ausstellungshalle. Während zwei von ihnen die Besucher mit Waffen in Schach hielten, zertrümmerte ein anderer mit einem Vorschlaghammer eine Vitrine, danach flüchteten alle. Verletzt wurde bei dem Überfall niemand, kurz darauf kam die Polizei, und die Messe wurde geräumt.

Noch ist nicht klar, wer die vier Täter sind und was genau sie mitgenommen haben. Die Polizei in Maastricht teilt nur mit, dass Schmuck vom Stand eines Juweliers abhandengekommen sei. Sie hat noch am Dienstag zwei junge Männer verhaftet, die in einem grauen Fahrzeug mit belgischem Kennzeichen auf der Autobahn unterwegs waren. Deren Anwalt sagte niederländischen Medien zufolge, dass die Verhaftung ein Missverständnis sei. Im Auto seien keine Waffen oder Juwelen gefunden worden.

Sakkos, Hornbrillen, extravagante Schiebermützen

Feststeht, dass die Täter ziemlich professionell vorgingen. Auf einem Video, das ein Besucher während des Überfalls gemacht hat, sieht man, dass sie Sakkos, Hornbrillen oder extravagante Schiebermützen trugen, mit denen sie zwischen der gut betuchten Messeklientel nicht weiter auffielen (die Zeit schrieb einmal, nirgendwo auf der Welt sehe man "so viele mit Silber und Elfenbein verzierte Gehstöcke" wie auf der Tefaf). Sie schafften es, durch die Sicherheitschecks der Messe zu kommen, und ließen sich auch nicht von einem Besucher irritieren, der versuchte, eine riesige Blumenvase auf sie zu werfen.

Es ist nicht das erste Verbrechen auf der Kunstmesse. 2008 wurde auf der Tefaf eine Diamantkette im Verkaufswert von 1,2 Millionen Euro gestohlen, 2010 erbeuteten Diebe einen Ring und Anhänger im Wert von 860 000 Euro. Doch der Überfall vom Dienstag erinnert an spektakuläre Verbrechen der vergangenen Jahre, die mit organisierter Kriminalität in Zusammenhang stehen. 2014 stürmten mehrere bewaffnete Männer die Schmuckabteilung des Berliner Luxuskaufhauses KaDeWe. In 79 Sekunden zertrümmerten sie Vitrinen mit Äxten und Macheten und entwendeten Schmuck und Uhren im Wert von 800 000 Euro. Die Täter, die später zu langjährigen Haftstraften verurteilt wurden, stammen aus einer kriminellen Großfamilie.

Eine andere Großfamilie soll für das Verschwinden der Juwelen aus dem Grünen Gewölbe in Dresden 2020 verantwortlich sein. Hier wurde bei einem nächtlichen Einbruch ebenfalls eine Vitrine zertrümmert und wertvoller historischer Schmuck entwendet. Die Tatverdächtigen stehen derzeit in Dresden vor Gericht, gegen mutmaßliche Helfer wird noch immer ermittelt.

Lasche Taschenkontrollen

Wenn wertvolle Kunst gestohlen oder geraubt wird, stellt sich immer die Frage nach den Sicherheitsvorkehrungen, die Geschichte hat oft gezeigt, dass Täter dabei Schwachstellen ausnutzen. So möglicherweise auch im aktuellen Fall. Das Handelsblatt kritisiert, es habe "krasse Lücken im Sicherheitskonzept" gegeben. So würden am Einlass vor allem die Handtaschen von Frauen kontrolliert, taschenlose Männer könnten hingegen offenbar auch mit Waffen zu den Alten Meisten und Antiquitäten durchspazieren. Spezielle Schleusen mit Metalldetektoren, wie sie auf anderen Kunstmessen wie der Art Basel üblich seien, habe es nicht gegeben.

Die Tefaf teilt auf SZ-Anfrage mit, dass sie sich zu einzelnen Punkten derzeit nicht äußern könne. Das Security Team habe aber sofort reagiert und die Halle schnell evakuiert, alle Besucherinnen und Besucher, Aussteller und Mitarbeitenden seien in Sicherheit gebracht worden. Auch habe man strenge Sicherheitsvorgaben, die präzise erfüllt worden seien. Der Messebetrieb wurde noch am Dienstag wieder aufgenommen, die Tefaf dauert noch bis 30. Juni.

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