Süddeutsche Zeitung

Verschollenes Kunstwerk:Huch, das kenn ich doch!

Lesezeit: 2 min

In New York ist ein verschollen geglaubtes Bild aufgetaucht, das zu einer Gemäldeserie gehört. Entdeckt hat es eine Museumsbesucherin - bei ihren Bekannten.

Von Alexander Menden

Das scharfe Auge einer Museumsbesucherin für stilistische Ähnlichkeiten hat in New York zur Entdeckung eines Kunstwerks geführt, das bisher allein dem Titel nach bekannt war. Es handelt sich um einen Teil der Serie "Struggle: From the History of the American People", die der Maler Jacob Lawrence (1917-2000) zwischen 1954 und 1956 schuf. Derzeit ist eine Wanderausstellung mit den erhaltenen Werken der 30-teiligen Serie des Afroamerikaners im Metropolitan Museum of Art (Met) zu sehen.

Die Besucherin, die wusste, dass sich eine sehr ähnliche Arbeit in der Sammlung eines befreundeten New Yorker Ehepaars befand, vermutete aufgrund der Ähnlichkeiten sofort, dass es sich um einen Teil der besagten Serie handeln könnte. Sie bat die Eigentümer, die unweit des Met auf der Upper West Side wohnen, mit dem Museum Kontakt aufzunehmen. Wie sich herausstellte war es tatsächlich das verschollen geglaubte Bild Nr. 16 mit dem Titel "Es gibt in jedem Staat Brennbares, das ein Funke in Brand setzen könnte - Washington, 26. Dezember 1786". Es gab bis dahin weder Informationen über seinen Verbleib noch Fotos.

Die Eigentümer hatten das Gemälde 1960 günstig bei einer Benefiz-Auktion ersteigert. Wie bedeutend die Arbeit in Tempera auf Holz war, wussten sie nach eigenen Angaben nicht. Der zuständige Kurator Randall Griffey war, so schrieb das stets gut informierte Art Newspaper, zunächst misstrauisch, als er den Anruf der Besitzer erhielt. Bei der Begutachtung des Bildes stellte sich jedoch schnell heraus, dass die Besucherin richtig gelegen hatte: Besonders die Darstellung von Blut in dem Lawrence-Werk, das die Shays'-Rebellion zeigt, einen bewaffneten Aufstand amerikanischer Veteranen und Farmer im 18. Jahrhundert, stimme stark mit den bereits bekannten Teilen der Reihe überein.

Es geschieht immer wieder, dass verschollene oder unbekannte Werke unverhofft auftauchen. So entdeckte eine Auktionatorin im Juni vergangenen Jahres im nordfranzösischen Compiègne ein Bild des mittelalterlichen Florentiner Meisters Cimabue. Es hatte dort in einem Haus aus den Sechzigerjahren über dem Herd gehangen und wurde im darauffolgenden Oktober für 24 Millionen Euro versteigert.

Ebenfalls 2019 tauchte in Italien in einer Privatsammlung ein gänzlich unbekanntes Bild mit dem Titel "Dichtung und Malerei" auf. Es entpuppte sich als Schöpfung Wilhelm Tischbeins, der vor allem für sein Porträt Johann Wolfgang von Goethes berühmt ist.

Der wiederentdeckte Lawrence wird nun Teil der Wanderausstellung. Das New Yorker Ehepaar hat es den Kuratoren leihweise zur Verfügung gestellt. Max Hollein, Direktor des Met, äußerte sich überaus erfreut. "Es ist selten, dass im Bereich der modernen Kunst eine derart bedeutende Entdeckung gemacht wird", sagte Hollein dem Art Newspaper. Besonders aufregend sei es, dass diese Entdeckung einer Museumsbesucherin zu verdanken sei.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5090841
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/mea
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.