SZ-Kolumne "Bester Dinge":Zu vergilbt, um wahr zu sein?

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Von wegen Kruste. Ein echter Brueghel! (Foto: Michel Euler/AP)

In Frankreich lässt eine Familie ein Bild im Fernsehzimmer verrotten und nennt es nur "die Kruste". Nun zeigt sich: Was da hängt, ist Kunst von höchstem Wert.

Von Marcel Laskus

Zimmer für Zimmer lief der Kunsthistoriker Malo de Lussac das Haus einer Familie nahe der französischen Stadt Tours ab, um eine Inventur ihrer Besitztümer durchzuführen. Er tat hier, was er schon öfter getan hatte; das ist sein Job. Als er aber dieses hinter der Tür des Fernsehzimmers versteckte Bild sah, konnte er seinen Augen kaum trauen: Ein echter Brueghel! Die Hausbewohner sind, anders als er, eher keine Kunstkenner, wie die Zeitung The Connexion schrieb: Sie gaben dem Bild deshalb schon den Namen "die Kruste", und entsprechend vergilbte es fernab eines größeren Publikums hinter der Tür vor sich hin. Wie oft sie wohl schon dachten: "Nächste Woche landet der alte Schinken auf dem Sperrmüll"? Malo de Lussac sei Dank wird das nun nicht mehr passieren.

Um alles andere als Schund handelte es sich nämlich bei diesem Werk. Gemalt wurde es vom flämischen Maler Pieter Brueghel dem Jüngeren wohl um das Jahr 1615 oder 1617. Brueghels Vater, der Ältere, der ebenfalls Maler war, starb, da war der Sohn erst fünf Jahre alt. Viele Werke des Jüngeren waren Kopien von Bildern seines Vaters. Das nun entdeckte Bild erstellte er wohl eindeutig selbst, auch wenn es nicht seine Signatur trägt. Irgendwann muss es erworben worden sein, über die Jahrzehnte aber geriet der Name des Schöpfers in Vergessenheit.

Eine gute Nachricht ist dieser Fund für Kunstfreunde. Allen anderen zeigt er: dass es sich durchaus lohnen kann, lieber zweimal hinzuschauen, bevor man etwas vorschnell als unbrauchbar abtut. Hätte es vielleicht zu anderen Schlüssen geführt, wenn sich Oliver Kahn und Hasan Salihamidžić den Rat eines Malo de Lussac eingeholt hätten, bevor sie Julian Nagelsmann feuerten? Wäre Christine Lambrecht noch im Amt als Verteidigungsministerin, hätte die Öffentlichkeit sie noch einmal in aller Ruhe betrachtet - und in ihr gar versteckte Qualitäten entdeckt?

Das Bild, das hinter der Fernsehzimmertür hing, hat nach der Inaugenscheinnahme des Experten jedenfalls einen sehr konkreten Wertzuwachs bekommen. Am Dienstag erwarb ein Schweizer Bieter es bei einer Auktion in Paris für 600 000 Euro.

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