Künstlerpech:Kunst und Unfall

Immer wieder kommt es vor, dass zerbrechliche Plastiken zertreten werden und Reinigungskräfte vermeintlichen Müll aus Ausstellungshallen entsorgen. Eine Sammlung.

Fliegen ohne Flügel

1 / 6
(Foto: Katharina Fritsch/Matthew Marks Gallery, New York/Chrisies.com)

Die Künstlerin Katharina Fritsch aus Düsseldorf soll einen Schaden zu verzeichnen haben. Einen teuren dazu. Ihr Kunstwerk "Fliege", 50 000 Euro Kaufpreis, soll vom Sockel gefallen sein, in der Matthew Marks Gallery in New York. Der Albtraum aller Künstler, Galleristen, Haftpflichtversicherer. Sollte man meinen. Doch das eine oder andere Kunstwerk, das versehentlich zerstört worden ist, hat es so erst zu Ruhm und Reichweite gebracht. Im Fall der "Fliege" übrigens bestreitet die Galerie -entgegen anders lautender Zeitungs- und Augenzeugenberichte -, dass das Kunstwerk zu Schaden gekommen sei, wie das Handelsblatt schreibt.

Gestrandeter Wal

2 / 6
(Foto: Anna Maria Bieniek/www.annamariabieniek.de)

Auch die versehentliche Zerstörung der Plastik "I am not a Toy" von Anna Maria Bienick zerschellte auf dem Boden eines Ausstellungsraums. Um 17 Uhr begann die Vernissage im Kunstpalais Erlangen. Drei bunte Keramikpenisse stehen aufgerichtet am Boden. 18.10 Uhr: Schon liegt einer der Penisse wie ein gestrandeter Wal gebrochen auf der Seite, Scherben daneben, ein Loch in der überdimensionierten Eichel. Ein Mann war zuvor über den Phallus gestolpert. Auf ihrer Homepage schreibt die Künstlerin Anna Maria Bieniek: "Es tut mir leid: Ich bin kein Banksy!". Die Zerstörung habe sie nicht gewollt. Und: "Ich möchte, dass die drei wieder so sind wie früher!". Inzwischen jedoch sei sie froh, dass sich die Sache in Erlangen im Oktober letzten Jahres so zutrug, sagte sie der SZ am Telefon. Aus dem Vorfall ziehe sie Inspiration für ihr weiteres Schaffen.

Oh wehweh

3 / 6
(Foto: dpa)

Wenn etwas kaputtgeht, ist es nicht immer gleich schlimm. Das kann man gut an dem Kunststar und chinesischen Dissidenten Ai Weiwei sehen: Als 2014 ein Mann aus Protest eine von Ai Weiwei gefertigte Vase aus einer seiner Installationen zerstörte, blieb der Künstler kühl: Es komme häufig vor, dass seine Arbeit in Ausstellungen "zerstört wird oder kaputtgeht", sagte Ai der Nachrichtenagentur AFP in Peking. Dagegen war Ai Weiwei nahezu euphorisch, als 2007 ein von ihm gebauter, zwölf Meter hohe Holzturm auf der Documenta in Kassel aufgrund der Wetterbedingungen zusammenstürzte. "Der Preis hat sich soeben verdoppelt", sagte er, "jetzt wird die Kraft der Natur sichtbar. Und Kunst wird durch solche Emotionen erst schön." Neben der Natur sind es aber manchmal einfach nur Reinigungskräfte, die ein Kunstwerk vernichten: Josephs Beuys' mit Filz, Fett und Pflastern "verschmutzte" Badewanne wurde mal von Nichtsahnenden bei einer Party im Museum ordentlich blankgeschrubbt, um darin Gläser auszuspülen. Und erst im vergangenen Jahr hatte eine Reinigungskraft versehentlich Teile einer Rettungsfolie, die ursprünglich auf dem Boden lagen, in einen Mülleimer geworfen. In diesem Fall nutzte die Künstlerin Romana Menze-Kuhn den Zwischenfall nach anfänglichem Klagen und integrierte die Mülltonne schließlich in ihr Werk. Was sie änderte, war der Titel des Werks: aus "Behausung 6/2016" wurde "Behausung 6a/2016".

Die Zerstörung des Banksy I

4 / 6
(Foto: action press)

Besonders betroffen von Fremdeinwirkung sind natürlich jene Kunstwerke, die allen zugänglich und oft unbewacht sind. Deswegen hat es vermutlich auch keinen Künstler öfter getroffen als Banksy, den wahrscheinlich angesehensten Wandbemaler seit Michelangelo. Übermalt, verfremdet, nicht als Kunstwerk erkannt, Banksy hat alles erlebt. Hier hat etwa "King Robbo" seine Handschrift auf einem Streetart-Bild in London-Islington hinterlassen. Dabei weiß man ja seit dem medienwirksamen Schredderbild von Banksy, dass er nicht nur der Erschaffer, sondern auch der bekannteste Zerstörer seiner eigenen Kunst ist.

Die Zerstörung des Banksy II

5 / 6
(Foto: Meyer Eidelson/Melbournewalks.com)

Aber nicht alle nehmen die Zerstörung von Banksy-Kunst so nüchtern hin wie der Künstler selbst. Die Einwohner von Melbourne etwa waren 2010 vermutlich ziemlich wütend auf die Straßenreinigung, als diese ein Werk des Graffiti-Künstlers überpinselte. Banksy war 2003 in Australien gewesen und hatte sich in Melbourne auf mehreren Hauswänden verewigt - doch die Ewigkeit war nur von kurzer Dauer. Bereits im Jahr 2008 hatten Vandalen sein Graffito "Kleiner Taucher" beschädigt, 2010 entfernte die städtische Straßenreinigung nun auch die Fallschirm springende Ratte - offiziellen Angaben zufolge das letzte Werk des Künstlers in Melbourne. Peinlich war die Angelegenheit vor allem für den Bürgermeister, der sich kurz vor dem Überstreichen der Banksy-Ratte noch als großer Street-Art-Fan inszeniert hatte. Um sein angeschlagenes Image besorgt machte das Stadtoberhaupt sogar den Vorschlag, zu dem stets anonym agierenden Künstler Banksy "über Hintermänner Kontakt aufzunehmen".

Jesus Christus Superbär

6 / 6
(Foto: AFP)

Nicht nur vorsätzlicher Vandalismus, sondern auch guter Wille kann einem Kunstwerk den Garaus machen. So geschehen in einer spanischen Kirche in Borja: Erst wurde das Jesus-Fresko "Ecce Homo" des Malers Elías García Martínez langsam von Wind und Wetter zersetzt. Noch schlimmer wurde es allerdings, als es gerettet werden sollte. Eine über 80-jährige Spanierin machte sich 2012 eigenhändig an die Restauration des Freskos. Heraus kam, nun ja, ist es ein Bär? Ist es ein Äffchen? Oder ein aufgeblasener Igel? Die Umgestaltung des wertvollen Wandgemäldes brachte aber viel Positives: Zehntausende Menschen pilgerten in den kleinen Ort, um das Bild zu betrachten, Fanclubs entstanden, sogar eine Oper wurde über die Hobbymalerin und ihr Werk geschrieben. Eine echte Erfolgsgeschichte für ein echt einzigartiges Bild. Und ja, es ist eine komische Oper.

© Sz.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: