Es passt nicht schlecht, dass die kuriose Geschichte aus dem Hamburger Süden gerade in diesen Tagen die Runde macht. Man spricht in der Hansestadt derzeit ja ohnehin über viel Geld und glänzende Fassaden, denn soeben ist die Elbphilharmonie fertig geworden. Offiziell 789 Millionen Euro, plus Spenden, hat das Prachtstück gekostet. Was, könnte man fragen, sind dagegen schon 85 000 Euro für eine andere funkelnde Verzierung?
Doch schnell herrschte enorme Aufregung, als die örtlichen Zeitungen am Donnerstag von dem Fall berichteten. Der Hamburger Künstler Boran Burchhardt will im Stadtteil Veddel die Vorderseite eines Wohnblocks auf 300 Quadratmetern mit 23,5 Karat Blattgold verkleiden. Die Kulturbehörde des rot-grünen Senats gibt dafür 85 622 Euro aus, das hatte die Kunstkommission nach einer Abstimmung so beschlossen.
"Hamburg vergoldet mit Steuergeldern eine Hauswand auf der Veddel", titelte daraufhin das Hamburger Abendblatt. Der Aufmacher stand über einer Meldung über Kinder in Not, die in Hamburg keine Kitaplätze finden. "Ein Goldhaus für die Veddel", schrieb die Hamburger Morgenpost auf ihre erste Seite und hatte einen Teil des Klinkerbaus auf dem Foto bereits golden eingefärbt.
Der ausgewählte Stadtteil gehört nicht gerade zu den Toplagen
Das inselartige Backsteinviertel Veddel im südlichen Teil der verzweigten Elbe, so viel muss man wissen, zählt zwischen Schienen und Wasser nicht zu den Toplagen der Stadt. Viele Bewohner dort beziehen Sozialhilfe. Das für die Edelmetallaktion ausgewählte Gebäude gehört der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Saga GWG, deren Stiftung Burchhardt derzeit als Quartierskünstler auf der Veddel fördert.
"Kunst und Kultur bringen Menschen zusammen, regen zu Diskussionen an und stärken die Identifikation mit dem Quartier", sagt Michael Ahrens, Sprecher der Saga GWG. Der Stipendiat Burchhardt, selbst Mitglied der Kunstkommission, ist bekannt für ausgefallene Ideen. Zum Beispiel schraubte er mal die stählernen Minarette einer Hamburger Moschee ab und überzog sie mit einem Muster aus grünen und weißen Sechsecken. Jetzt sind Andersdenkende allerdings sehr ärgerlich.
"Es ist kaum zu glauben, wofür in unserer hoch verschuldeten Stadt plötzlich Geld da ist", zetert Sabine Glawe vom Bund der Steuerzahler Hamburg. "Wie kann es sein, dass die schwer erarbeiteten Steuermittel der Hamburgerinnen und Hamburger in Form von Blattgold an Häuserwände geklebt werden? Dieses aus Steuergeldern finanzierte Kunstprojekt ist an Dekadenz kaum noch zu überbieten. Wir fordern die Kulturbehörde auf, dieses Projekt zu stoppen!" Auch Politiker verschiedener Parteien schimpfen, auf Facebook tobte ebenfalls eine lebhafte Debatte.
Im März 2017 legt der Künstler auf der Veddel los
Erhöhter Aufmerksamkeit kann sich Boran Burchhardt also sicher sein. "Der Sinn des Projektes ist Kommunikation", erläutert er. Die Sache sei gut durchdacht, sagt Bettina Steinbrügge aus der Kunstkommission, sie leitet den Hamburger Kunstverein. Gewöhnlich komme Gold in der Kunst eher in repräsentativen Gegenden zum Einsatz - "das dreht er um. Das ist 'ne Aussage".
Ein Affront, mag sein. Aber weshalb solle Gold nicht mal ein weniger schickes Revier schmücken, mit Menschen aus 26 Nationen. "Wieso nicht mal was Schönes?", sagt Steinbrügge. "Das ist eine sehr subtile Auseinandersetzung. Er legt den Finger in die Wunde." Im März 2017 legt Burchhardt in Veddel los. Das Gold soll 25 Jahre lang halten und sogar von den Bahngleisen aus zu sehen sein.