Kult um Armeechef al-Sisi:Ägyptens Schokoladen-General

Kult um Armeechef al-Sisi: Schokolade mit dem Konterfei des Armeechefs: Ägyptens Soldaten legen ihren Eid künftig auf ihre militärischen Führer ab.

Schokolade mit dem Konterfei des Armeechefs: Ägyptens Soldaten legen ihren Eid künftig auf ihre militärischen Führer ab.

(Foto: AFP)

Fastfood zu seinen Ehren gibt es schon. Nun erreicht der Personenkult um den ägyptischen Armeechef Abdel Fattah al-Sisi auch die Süßigkeiten: Eine Sisi-Praline kostet etwa einen Euro - und verkauft sich trotz Armut kiloweise.

Von Sonja Zekri, Kairo

Die gerahmten Porträts sehen etwas wuchtig aus, um den General ist zu viel kakaofarbenes Geschnörkel. Die flachen Porträts wirken ein bisschen, nun, eindimensional. Am appetitlichsten sind die Pralinen: allerfeinstes belgisches Material, eckig, rund oder mit Wellenrand gegossen, darauf Ägyptens mächtigster Mann: Armeechef Abdel Fattah al-Sisi, meist mit Brille, immer zum Anbeißen. "Er ist unser Held", sagt Bahira Galal, "unser Retter."

Bahira Galal, früher Reiseleiterin, heute, nach dem Einbruch des Tourismus, Inhaberin eines Cafés im Botschafterviertel Garden City in Kairo nebst einer, wie man in Berlin-Mitte sagen würde, Schokoladen-Manufaktur, hat den süßen Sisi kreiert. Es geschah ein paar Wochen, nachdem dieser den Islamisten-Präsidenten Mohammed Mursi entmachtet hatte in einem Akt, der ziemlich schnell als von der Liebe des Volks beflügelter, heroischer Widerstand gegen das dräuende Reich der Bärte kanonisiert wurde.

Bahira Galal würde das so nie sagen, sie ist sehr unpolitisch. Aber dass nun die Zeit für Huldigungen gekommen war, begriff sie. Befreundete Reiseleiter hätten auf einer Facebook-Seite über die Revolution - die Muslimbrüder sagen: den Putsch - geschrieben oder gemalt. "Da wollte ich auch etwas beitragen", sagt sie.

Sie ist ja nicht die Einzige. Fastfood-Ketten kreierten Sisi-Burger, Poster preisen den herrlichsten Sohn Ägyptens als Löwen, als Adler, gern auch als nächsten Präsidenten, auch wenn er sich wirklich sehr tapfer dagegen wehrt.

"Jedes Land sehnt sich doch nach einem Helden"

Überhaupt ist mit dem Armeechef nicht zu spaßen. Ein Bauer, der seinen Esel Sisi nannte und mit Militärmütze durch ein Dorf in Oberägypten führte, wurde festgenommen. Bahira ist da ganz auf der sicheren Seite. Ihr Beitrag ist ein Qualitätsprodukt. Schon die Drucktechnik mit Lebensmittelfarben auf weißer Schokolade ist ja mit ägyptischen Durchschnittsbonbons nicht zu vergleichen; Bahira hat die Maschine, die aus Deutschland stammt, in Südafrika erstanden.

Eine Sisi-Praline kostet knapp einen Euro, "und das in einer Zeit, wo die Menschen oft nicht mal Lebensmittel bezahlen können", sagt sie. Trotzdem verkauft sie zwei, drei Kilo Sisi-Schokolade am Tag. Väter schenken sie ihren Kindern. Kunden fahren mit dem Taxi durch die halbe Stadt, um eine Schachtel zu erwerben. Sisi ist der Knüller.

Bahira findet das gar nicht seltsam, auch das Wort "Personenkult" kommt ihr nicht in den Sinn: "Jedes Land sehnt sich doch nach einem Helden. Nehmen Sie Frankreich. Die hatten Napoleon." Aber ist das nicht lange her? "Heute wäre ein Held jemand, der die Wirtschaftskrise meistert. Gibt es bestimmt auch in Deutschland?" Tja, wir haben Angela Merkel.

Bahira ist jedenfalls nicht ideologisch. Für Dschihan Sadat, Witwe des ermordeten Präsidenten Anwar al-Sadat, will sie Sadat-Trüffel kreieren. Außerdem gibt es Pralinen mit dem Porträt von Popsängern oder dem Logo von Airlines, Banken.

Bahira hat Sisi eine Packung geschickt, es kam aber keine Reaktion. Vielleicht hat er die subtile Botschaft verstanden, eine Warnung, verborgen hinter höchstem Genuss: Schokolade kann schmelzen- wie die Macht am Nil.

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