Schulen:Butter, Mehl und Mehrwertsteuer

Schulen: Beim Kuchenverkauf geht es, klar, um Einnahmen für die Klassenkasse oder den Förderverein. Es geht aber auch darum, wessen Kuchen so ansprechend aussieht, dass er als erster ausverkauft ist.

Beim Kuchenverkauf geht es, klar, um Einnahmen für die Klassenkasse oder den Förderverein. Es geht aber auch darum, wessen Kuchen so ansprechend aussieht, dass er als erster ausverkauft ist.

(Foto: 8vfanP/Imago/Panthermedia)

Wenn in Schulen oder Kitas Geld fehlt, wird Kuchen verkauft. Diese Tradition sieht man nun in Baden-Württemberg bedroht. Denn wegen einer neuen Richtlinie der EU könnte darauf bald Umsatzsteuer fällig werden.

Von Veronika Wulf

Der Kuchenverkauf ist eine Art Institution deutscher Bildungseinrichtungen. Kinder und Jugendliche lernen dabei Grundsätze der Betriebswirtschaft, auch wenn Ausgaben und Arbeitszeit meist sponsored by Mama sind und das Geschäftsmodell somit eher begrenzt auf das spätere Berufsleben anzuwenden ist. Doch vor allem ist der Kuchenverkauf ein kleiner, aber wichtiger Lückenfüller im Finanzplan der Schulen und Kindergärten.

Nicht alle Eltern können sich die Klassenfahrt leisten? Wie wär's mit einem Kuchenstand! Kein Geld da für wetterfeste Stühle, damit die Kitakinder in Corona-Zeiten draußen vespern können? Kuchenstand! Die Klassenkasse ist leer, aber der Abi-Ball steht an? Kuchenstand! Es scheint, als werde alles, was zusätzlich kostet, in den Küchen der Eltern weggebacken. Selbst Privatschulen sind davor nicht gefeit, so ist etwa an Waldorfschulen nur halbironisch von den drei großen Bs der Elternschaft die Rede: backen, basteln, blechen.

Der entscheidende Vorteil des Konzepts Kuchenverkauf war immer: jahrzehntelang bewährt, unkompliziert und einfach. Doch für öffentliche Schulen und Kitas könnte sich das bald ändern. Denn von kommendem Jahr an könnten solche Verkäufe umsatzsteuerpflichtig werden.

Wird der Bäcker benachteiligt?

Dafür ist ein kurzer Exkurs ins Steuerrecht nötig, weg vom Schulhof über Berlin nach Brüssel. Im Vergleich zu privatwirtschaftlichen Unternehmen zahlen öffentliche Einrichtungen nämlich bisher in aller Regel keine Umsatzsteuer, etwa wenn das Bürgeramt ein Dokument beglaubigt, wenn der Betriebshof den Friedhof pflegt oder die Feuerwehr einen Baum von der Straße räumt. Die Europäische Union will aber verhindern, dass private Unternehmer dadurch im Wettbewerb benachteiligt werden - schließlich könnte auch ein Gärtner den Friedhof pflegen oder eine private Firma die Straße räumen -, und hat deshalb eine Mehrwertsteuerrichtlinie erlassen, die sich in Deutschland in Paragraf 2b des Umsatzsteuergesetzes niederschlägt. Die besagt: Auch Kommunen, Ministerien und Landratsämter werden von 2023 an steuerpflichtig.

Umsetzen müssen das, bis Ende des Jahres, die Länder. Und aus unerfindlichen Gründen kocht das Thema gerade in Baden-Württemberg hoch - am Beispiel Kuchen. Ruft man beim Finanzministerium in Stuttgart an, betont Sprecher Sebastian Engelmann erst mal, sinngemäß, dass die neue Regelung nicht auf dem Mist des Ländles gewachsen ist und dass sich alle Länder damit beschäftigen müssen. "Wir haben uns das auch nicht ausgedacht, aber in der Logik dieser neuen Umsatzsteuerrichtlinie ist eine Klasse, die Kuchen verkauft, Teil der Schule und Schule ist staatlich, also verkauft der Staat Kuchen", erklärt er. Das wiederum könne einen Einfluss auf das Marktgeschehen haben, denn den Kuchen könnte ja auch ein Bäcker backen und verkaufen. Rein formal wäre der Schülerkuchenverkauf also umsatzsteuerpflichtig. "Aber wir prüfen gerade, welchen Handlungsspielraum wir als Land haben und wo wir mit einer Bagatellgrenze arbeiten können, damit kein weiterer bürokratischer Aufwand entsteht und Kuchenverkauf nicht steuerpflichtig wird."

Das Gestöhne ist trotzdem schon laut, in verschiedenen Ecken. Bei den Ämtern und Behörden, weil sie alles, was sie tun, nun überprüfen müssen: Ist das eine hoheitliche Aufgabe? Oder könnte es auch eine private Firma übernehmen? Dann wäre es künftig also steuerpflichtig. Denn es geht ja nicht nur um den Kuchen. Ein Sprecher des Kultusministeriums spricht von einem "Bürokratiemonster", der Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg, Steffen Jäger, von "massiven Erschwernissen" und "Bürokratie pur". "In den Rathäusern wird man sich über Monate mit der Überprüfung der eigenen Abläufe und deren umsatzsteuerlicher Relevanz befassen müssen", klagt Jäger in einer Stellungnahme. "Und das nur, damit die eine staatliche Ebene der anderen staatlichen Ebene mehr Steuern bezahlen darf oder muss."

"Da hat irgendjemand den Schuss nicht gehört."

Und natürlich ist die Aufregung auch bei denen groß, die den Kuchen backen. "Ich weiß gar nicht, wie viele Eltern und Elternvertreter mir geschrieben haben", sagt Michael Mittelstaedt, Vorsitzender des Landeselternbeirats. Und zur Sache: "Da hat irgendjemand den Schuss nicht gehört." Dennoch muss er am Telefon erst mal lachen, man kenne das ja schon, seit ein paar Jahren dürfen an Schulen auch keine Waffeln mehr aus selbstgemachtem Eierteig verkauft werden, lieber Fertigteig kaufen, Nudelsalat im Sommer: auch ganz kritisch, wegen Hygiene und so. "Wenn jetzt auch noch eine Mehrwertsteuer draufkommt, dann fehlt mir das Verständnis", sagt er.

Der Schulkuchen, er scheint definitiv vorbelastet zu sein.

Doch es sind sich ja alle einig, dass er bleiben soll. Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann versprach am Dienstag, dass die neuen Regelungen "in ihren Bürokratismen gemindert werden". Eine Lösung könnte sein, dass der Kuchen formal über einen Förderverein verkauft wird, sagt Finanzministeriumssprecher Engelmann, laut Kleinunternehmerregelung sind da Einnahmen bis 22 000 Euro steuerfrei, "das wäre schon sehr viel Kuchen". Andere Lösungen will sich das Land nun ausdenken.

Dabei könnte sich Baden-Württemberg an Bayern orientieren, das schon Regelungen gefunden hat. Dort hängt es unter anderem davon ab, an wen sich der Kuchenverkauf richtet und wie nachhaltig der Verkäufer "auf dem Markt auftritt", kurz: Verkauft eine Kita bei einem Sommerfest, das nicht öffentlich beworben wird, Kuchen an Eltern und Großeltern, wäre das nicht steuerpflichtig, verkaufen die Eltern aber jede Woche Kuchen auf dem Markt neben anderen Buden, dann schon. Kompliziert bleibt es trotzdem.

"Hauptsache, die Leute müssen vorher nicht 20 Seiten lesen", findet Mittelstaedt vom Landeselternbeirat. "Denn das schreckt sie ab und dann lassen sie es ganz." Und das sei schade, denn die Institution Kuchenverkauf habe nicht nur den sozialen Aspekt, dass sich dann ärmere Familien Klassenfahrten leisten können, sondern sie sei auch für die Eltern wichtig: Man trifft sich, quatscht, lernt sich kennen - "eine ganz tolle Kiste".

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