Papst-Besuch in Kuba:"Die Welt braucht Versöhnung in dieser Atmosphäre des Dritten Weltkriegs"

Diplomatischer Drahtseilakt: Nur wenige Tage vor seiner Reise in die USA trifft Papst Franziskus auf Kuba Staatschef Raúl Castro - und den einstigen Revolutionsführer Fidel.

Von Boris Herrmann, Havanna

Kurz vor seinem Abflug nach Kuba ist der Papst noch einmal wie gewohnt in die Basilika Santa Maria Maggiore in Rom gepilgert und hat für den Erfolg seiner anstehenden Reise gebetet. Sie begann trotzdem mit einem kleinen Missgeschick. Auf dem Rollfeld des Flughafens José Martí von Havanna wehte ihm ein karibischer Nachmittagswind die Mütze vom Kopf. Am anderen Ende des roten Teppichs wartete Kubas Präsident Raúl Castro und grinste so schelmisch, wie es außer ihm nur ganz wenige können. Es wird schon einen anderen Grund gehabt haben.

Franziskus und Castro verstehen sich ja dem Vernehmen nach blendend. Neulich saßen sie bei einer Privataudienz im Vatikan fast eine Stunde lang zusammen, der kubanische Staatschef wirkte danach wie erleuchtet und versprach, künftig wieder regelmäßig die Kirche zu besuchen. Was aus dem Versprechen geworden ist, steht auf einem anderen Blatt. Man kann weiterhin davon ausgehen, dass sich die erstaunliche Seelenverwandtschaft dieser beiden Männer vor allem auf Fragen der Weltordnung bezieht. Auf die Armen und Ausgebeuteten, auf die Einsicht, dass etwas nicht stimmt mit diesem Planeten.

Sie haben sich respektvoll begrüßt in Havanna, aber es fiel auch auf, dass sie sich nicht um den Hals gefallen sind. Franziskus reist am Dienstag weiter in die USA, er wird wissen, dass der zweite Teil dieser bislang beispiellosen Reiseroute umso komplizierter wird, je mehr er sich auf Kuba mit dem Castro-Regime verbrüdert. Andererseits besteht auch kein Zweifel daran, dass sich die Kubaner von diesem passionierten Brückenbauer ein besonderes Signal erwarten. Er stammt schließlich aus Lateinamerika, aus ihrer Welt. Diese Papstreise ist ein diplomatischer Drahtseilakt.

Treffen mit Raúl und Fidel Castro

Seine Begrüßungsrede am Flughafen richtete Franziskus nicht etwa an die kubanischen Katholiken, sondern explizit an "alle Kubaner". Damit war bereits die Stoßrichtung dieses Besuchs vorgegeben. Es wird hochpolitisch. Die Annäherung zwischen Kuba und den USA lobte der Papst als "ein Vorbild der Versöhnung für die ganze Welt." Da schwang, bei aller Bescheidenheit, auch eine gehörige Portion Eigenlob mit. Franziskus hat den Versöhnungsprozess der einstigen Erzfeinde bekanntlich selbst mit eingefädelt.

Er ermunterte die Beteiligten, auf diesem Weg voranzuschreiten, und vergaß dabei auch einen ehemaligen Politiker nicht, der diesen Weg vor allem aus dem Krankenbett verfolgt. An Raúl Castro gerichtet sagte er: "Ich möchte Sie, Herr Präsident, bitten, Ihrem Bruder Fidel den Ausdruck meiner speziellen Achtung und Ehrerbietung zu überbringen."

Nur einmal weicht der Papst von seinem Redemanuskript ab

Papst-Besuch in Kuba: Bejubelt von den Massen: Papst Franziskus fährt auf dem Platz der Revolution in Havanna vor.

Bejubelt von den Massen: Papst Franziskus fährt auf dem Platz der Revolution in Havanna vor.

(Foto: Adalberto Roque/AFP)

Am Sonntag aber traf er Fidel Castro dann doch auch selber. 30 bis 40 Minuten soll das Gespräch in der Residenz des 89-jährigen Revolutionsführers gedauert haben. Der Papst schenkte Castro einige theologische und religiöse Bücher, darunter ein Werk von einem Jesuitenpater, der Castro in einer Schule des Ordens erzogen hat. Es deutet vieles darauf hin, dass sich Franziskus dagegen mit Regierungsgegnern ebenso wenig treffen wird wie seine Vorgänger Johannes Paul II. und Benedikt XVI. in den Jahren 1998 und 2012.

Ein einziges Mal wich der Papst bei der Begrüßungsrede von seinem Manuskript ab, es war die entscheidende Stelle: "Diese Welt braucht Versöhnung in dieser Atmosphäre des Dritten Weltkrieges, in der wir leben." Franziskus hat das Bild vom Weltkrieg nicht zum ersten Mal benutzt, um die Krisen und Ungerechtigkeiten dieser Welt anzuprangern. Aber auf dieser Insel mit dieser Geschichte, wo die Welt einst tatsächlich vor dem nächsten Atomkrieg stand, hatten diese Worte einen besonderen Nachhall.

Sie wirkten wie ein latenter Schulterschluss mit den Thesen Raul Castros. Der hatte sich zuvor die Freiheit genommen, in einem Vortrag seine Sicht der Welt darzulegen. Er geißelte das über 55 Jahre alte Handelsembargo als "grausam, unmoralisch und illegal" und forderte die USA auf, es unverzüglich aufzuheben. Castro hatte noch kurz vor dem Papstbesuch mit seinem Kollegen Barack Obama ein angeblich freundschaftliches Telefonat geführt, Washington lockerte daraufhin zahlreiche Handelsbeschränkungen.

Zur Messe kamen mehr Menschen als es auf Kuba Katholiken gibt

Aber Freundschaft hin, Freundschaft her, zu Hause mimt Castro weiterhin den Hardliner. Auch die US-amerikanische Militärbasis in Guantánamo müsse endlich zurückgegeben werden, sagte er dem Papst.

Der hatte sich am Sonntagmorgen zunächst einmal um seine religiöse Mission zu kümmern. Zur Messe auf der Plaza de la Revolución von Havanna kamen schätzungsweise eine Million Menschen, mehr Zuhörer jedenfalls als es praktizierende Katholiken auf der Insel gibt. Da ging es in erster Linie um die "Logik der Liebe" Jesu.

Eine weltliche Botschaft, die sich mutmaßlich an kommunistische wie an kapitalistische Ideologen richtete, mochte sich dieser Papst trotzdem nicht verkneifen. "Man dient nicht Ideen, sondern man dient den Menschen", predigte er. Am Montag reist Franziskus nach Holguín weiter. Ein Blick auf die Karte genügt, um zu erahnen, dass allein die Wahl dieses Ortes ein politisches Statement sein könnte. Holguín ist von Guantánamo keine 150 Kilometer entfernt.

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