"Wir wissen wohl alle noch vom Schulhof, dass ein Witz nicht immer nur zum Lachen gedacht ist", erklärt Meike Büttner im Magazin The European ihre Entscheidung. "Oft genug ist es das Ziel eines solchen Witzes, Menschen zu verletzen. Damit kann ich mich schlicht nicht identifizieren."
Natürlich hängt die Bewertung des Satzes "Ich bin Charlie" davon ab, als was genau man ihn versteht - als spontane Form der Anteilnahme und Selbstvergewisserung, als Trotzreaktion oder als allumfassende Einverständniserklärung mit der Arbeit der Karikaturisten. Vermutlich wollten die wenigsten, die in den ersten Stunden nach dem Anschlag als Charlie ein Plakat durch den Regen trugen oder im Internet ihr Entsetzen äußerten, damit ausdrücken, dass sie jede Zeichnung der Zeitschrift kennen und gut heißen. Sie wollten gegen einen Angriff auf die Meinungsfreiheit zusammenzustehen.
Genau darin sieht der US-Blogger James Scott das Bedürfnis vieler Menschen, sich gegen eine Bedrohung von islamischer Seite zu verbünden. Als der islamfeindliche Terrorist Anders Breivik 2011 in Norwegen 77 Menschen umbrachte, habe es keine vergleichbare Bewegung gegeben. Scott kritisiert zudem den "Gruppenzwang", den er seit Tagen spüre: Nur Feiglinge oder Verräter würden die Mitgliedschaft im Charlie Club verweigern.
Muss Satire immer ein Faustschlag ins Gesicht sein?
Tatsächlich zeigt Corine Goldberger im französischen Magazin Marie Claire kein Verständnis für die #JeNeSuisPasCharlie-Sager. Sie würden sich von den vereint für die Pressefreiheit einstehenden Franzosen distanzieren und jenen in den Rücken fallen, die unermüdlich dafür kämpften, dass Extremisten und die "schweigende islamische Minderheit" nicht in einen Topf geworfen würden.
Dass inzwischen über Charlie-Sein-oder-Nichtsein diskutiert wird, mag ein Zeichen dafür sein, dass der erste Schock vorüber ist. Nun lässt sich darüber sprechen, was Satire sein will und darf. Ob eine Karikatur tatsächlich immer ein Faustschlag ins Gesicht sein muss, wie es einer der Charlie-Hebdo-Mitbegründer einmal sagte. Und ob es besonders vernünftig ist, alles, was erlaubt ist, auch zu tun.
Viele Menschen tun im Internet diese differenzierte Sicht der Dinge kund: Pressefreiheit ja, rücksichtsloses Austeilen nein. Ein Satz, der fälschlicherweise dem französischen Philosophen Voltaire zugeschrieben wird, wurde in den vergangen Tagen häufig gepostet: "Ich verachte Ihre Meinung, aber ich gäbe mein Leben dafür, dass Sie sie sagen dürfen."
Der britische Journalist Eliot Higgins fasst ihn angesichts der Diskussion um Charlie Hebdo so zusammen: "Ich verteidige dein Recht, dummen Scheiß zu sagen, aber es bleibt dummer Scheiß."