Acht Menschen werden getötet und Tausende rücken an ihre Stelle. Kurz nachdem Mittwochmittag ein großer Teil der Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo und vier weitere Menschen von Terroristen erschossen wurden, wollten viele das freche Blatt unterstützen. "Ich bin Charlie" stand auf unzähligen Plakaten, mit denen am selben Abend Menschen in vielen Städten Frankreichs auf die Straßen gingen. #JeSuisCharlie hatte der Franzose Thierry Puget spontan als Zeichen seiner Solidarität getwittert, der Tweet ging um die Welt, Millionen taten es ihm nach.
Später solidarisierten sich einige Menschen anhand der Hashtags #JeSuisAhmed und #JeSuisJuif (Ich bin Jude) mit den weniger prominenten Opfern - dem erschossenen muslimischen Polizisten Ahmed Merabet und den vier jüdischen Geiseln, die ein dritter Attentäter am Freitag in einem koscheren Supermarkt erschossen hat.
Inzwischen macht auch #JeNeSuisPasCharlie (Ich bin nicht Charlie) im Internet die Runde. Die meisten fügen der Sicherheit halber noch ein "aber trotzdem gegen Gewalt und Terrorismus" hinzu, um sich von jenen abzugrenzen, die Verständnis für den Anschlag oder sogar Freude darüber zeigen. Oder mit denselben Worten ihre Solidarität mit den Ermordeten wieder relativieren, wie etwa der Gründer des rechtsextremen Front National, Jean-Marie Le Pen.
Kritik an der Solidarität
Offenbar reicht es vielen Twitter-Usern, Bloggern und Journalisten nicht, auf den Slogan "Je suis Charlie" einfach zu verzichten. Sie wollen deutlich machen, dass sie sich den zahlreichen Charlie-Hebdo-Unterstützern nicht nur deshalb nicht angeschlossen haben, weil sie aus Versehen ein paar Tage offline waren. Sondern weil sie sich bewusst dagegen entschieden haben - obwohl sie den Anschlag scharf verurteilen.
Ein US-amerikanischer Blogger kritisiert die "kostengünstige, risikolose, allumfassende Solidarität", die völlig unverbindlich sei und doch oft fälschlicherweise als politischer Akt verstanden werde. David Brooks von der New York Times nimmt Anstoß an dem unverbindlichen Beifallklatschen von US-Amerikanern, deren Toleranz schnell an ihre Grenzen gerate, sobald jemand ihre eigenen Ansichten und Werte in Frage stelle.
Abgesehen davon, dass ein neues Profilbild billig zu haben und ein Tweet schnell getippt ist, spricht aus vielen Beiträgen das Unbehagen, die Karikaturisten von Charlie Hebdo als Märtyrer der Meinungsfreiheit beweint und beklatscht zu sehen. Männer, die keine Rücksicht auf religiöse Gefühle nahmen und immer wieder sexistische, homophobe und rassistische Beiträge veröffentlichten. So titelte das Blatt anlässlich der Begeisterung eines Papstbesuchs in Paris "Franzosen so dumm wie Neger". Außerdem zeigte Charlie Hebdo - auf seiner Webseite - eine Karikatur, die die schwarze Justizministerin Taubira als Affe zeigt, nachdem die diese von einer konservativen Politikerin und einem rechtsextremen Blatt als solcher verspottet worden war.
"Als Muslimin werde ich keine Zeitung verteidigen, die mich nicht respektiert und meinen Glauben und meine Kultur lächerlich macht", schreibt etwa eine Studentin aus dem Libanon. Ein belgischer Blogger erinnert sich, dass Charlie Hebdo einst auch mal der rechtsextremen und islamfeindlichen Partei Vlaams Belang zur Seite gesprungen sein soll. Deshalb wolle er sich nicht uneingeschränkt mit ihr solidarisieren, obwohl er einzelne Autoren seit seiner Jugend verehre.