Stilkritik:Bahnbrechende Schenkelklopfer

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Immer mehr ICE-Züge sollen durch Deutschland fahren, des Klimas wegen und um die Verkehrswende zu schaffen. Aber irgendwo müssen diese gewartet werden. (Foto: Christoph Soeder/dpa)

Die Deutsche Bahn haut Witze in einem Takt heraus, den man sich für manche Zugverbindung wünschen würde. Taugt Humor als Mittel der Krisenkommunikation?

Von Verena Mayer

Eine Grundregel der Krisenkommunikation lautet, dass man Dinge, die schieflaufen, offen ansprechen soll. Eine Institution, die sich das sehr zu Herzen genommen hat, ist die Deutsche Bahn. Ob das Bier im Bordbistro kurz nach Hannover alle ist oder der Zug am Stellwerk Königs Wusterhausen außerplanmäßig halten muss - die Bahnreisenden werden per Durchsage informiert, ob es sie interessiert oder nicht. Der Erfolg scheint mäßig zu sein. Wut über die Bahn bestimmt einen großen Teil der Beiträge in den sozialen Medien, zuletzt schimpfte die französische Schauspielerin Julie Delpy in mehreren Posts auf Instagram über einen verspäteten Zug nach Stuttgart ("What a shit show!").

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Seit einiger Zeit fährt die Bahn nun eine neue Strategie: Humor. Durchsagen des Bahnpersonals klingen, wie man auf dem Twitter-Account "Bahn-Ansagen" nachlesen kann, gerne so: "Ich darf Ihnen mitteilen, dass Sie sich nicht in Deutschlands größter Sardinenbüchse befinden, sondern im RB 26 nach Mainz-Hauptbahnhof." In den sozialen Medien werden zudem in einem Takt Witze rausgehauen, den man sich für manche Zugverbindung wünschen würde. Letztens zum Beispiel, als die Meldung herumging, dass ein Fahrgast die Türen eines ICE minutenlang blockiert hatte, weil er auf eine Pizzalieferung wartete. Das ist an sich schon ziemlich witzig, aber die Bahn setzte noch einen drauf und twitterte: "Seine Bestellung: Quattro Endstagioni".

Frei nach Heinz Erhardt: Und noch'n Witz! Die BVG hat Krisenkommunikation durch schlechte Witze quasi kultiviert. (Foto: Sabine Brose/Sorge/imago images)

Nun ist Humor, das weiß man seit Freud, immer gut, um Distanz zu den Verhältnissen herzustellen, also verspäteten, überfüllten oder eben blockierten Zügen. Allerdings kommt er auch an seine Grenzen, wie man bei den Berliner Verkehrsbetrieben beobachten kann. Die BVG hat vor einigen Jahren das Dauerwitzeln als Strategie der Krisenkommunikation gewissermaßen erfunden. Da wurde in einem Image-Video "Is mir egal" gesungen, und wer sich auf Social Media über Verspätungen beschwert, bekommt als Antwort: "Wir wollten einfach, dass du mehr von Berlin siehst." Auch der Slogan der BVG soll witzig sein, er lautet "Weil wir dich lieben". Vielen Menschen ist dadurch jedoch vor allem eines klar geworden: Mit dieser Art von Liebe will man nicht unbedingt in Berührung kommen.

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