Krise der katholischen Kirche:Jeder vierte Katholik denkt über Austritt nach

Leere Kirchenbänke - und bald leere Kassen? Der Missbrauchsskandal verschreckt deutsche Katholiken. Eine offene Aufklärung trauen die meisten ihrer Kirche nicht zu.

Zahlreiche Missbrauchsfälle, veruntreute Stiftungsgelder und ein ohrfeigender Bischof, der sich erst nach langem Leugnen zum Rücktritt entschließen kann: Die deutschen Katholiken sind unzufrieden mit ihrer Kirche und lassen sie das auch spüren.

Benedikt XVI, dpa

Verklagt von einem Missbrauchsopfer: Papst Benedikt XVI.

(Foto: Foto: dpa)

Viele treten aus, weil sie ihren Unmut ausdrücken oder sich einfach die Kirchensteuer sparen wollen - und noch mehr denken darüber nach. Laut einer Forsa-Umfrage der Bild-Zeitung hat in den vergangenen Wochen fast ein Viertel der deutschen Katholiken (23 Prozent) einen Austritt erwogen. Unter denjenigen, die nur selten oder nie einen Gottesdienst besuchen, waren es sogar 38 Prozent.

Dass zukünftig nicht nur die Kirchenbänke, sondern auch die Kassen der Kirche deutlich leerer sein könnten, liegt vor allem an der wenig vertrauenserweckenden Reaktion der Kirchenoberen auf die Missbrauchsfälle. 77 Prozent der Befragten haben den Eindruck, dass die Kirche versuche, wenn möglich das eine oder andere zu vertuschen, nur 16 Prozent glauben an eine vorbehaltlose und offene Aufklärung.

Besserung wird es vermutlich nur geben, wenn das Hauptproblem gelöst wird: Die Hälfte der deutschen Katholiken sehen einen Zusammenhang zwischen dem Gebot sexueller Enthaltsamkeit für Priester und den Fällen sexuellen Missbrauchs. 81 Prozent sprechen sich dafür aus, den Zölibat abzuschaffen.

Abwarten, bis sich der Skandal abgeschwächt hat, scheint eine wenig erfolgversprechende Taktik zu sein: Fast zwei Drittel der Befragten (64 Prozent) sind sich sicher, dass die Missbrauchsfälle dem Ansehen der Kirche dauerhaft schaden.

Ein schwacher Trost für Benedikt XVI.: Die große Mehrheit der deutschen Katholiken (87 Prozent) ist nicht der Meinung, dass er wegen der Missbrauchsfälle zurücktreten sollte. Dafür droht dem deutschen Papst Ärger aus den USA. Ein Missbrauchsopfer hat den Pontifex verklagt.

Der Mann beschuldigt den Vatikan, die Missbrauchsfälle an einer katholischen Schule für Gehörlose im Bundesstaat Wisconsin zu verschleiern. Er forderte den Papst auf, die Namen der katholischen Priester zu veröffentlichen, gegen die es "glaubhafte Anschuldigungen wegen sexuellen Missbrauchs" gebe.

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