Kriminalität - Wiesbaden:Corona und häusliche Gewalt: Beratung und Hilfe im Lockdown

Corona
Die Arme eines Mannes (r) halten mit Gewalt die Arme einer Frau fest (gestellte Szene). Foto: Maurizio Gambarini/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Wiesbaden/Frankfurt (dpa/lhe) - Homeschooling, nur Notbetreuung in der Kita, Kontaktbeschränkungen - die Corona-Pandemie bedeutet für Familien besonderen Stress. Experten hatten schon zu Beginn der Krise gewarnt, dass dies auch zu mehr häuslicher Gewalt führen könnte und gefordert, die Beratungsstellen und Hilfsangebote trotz Lockdowns unbedingt zugänglich zu halten. Vor Ort sind dafür inzwischen verschiedene Konzepte gefunden worden. Laut Kriminalstatistik gab es 2020 einen Anstieg bei den registrierten Fällen um 7,7 Prozent auf 10 013.

Der Sprung im Corona-Jahr fiel größer aus als in den Vorjahren. 2019 betrug der Anstieg in Hessen 4,2 Prozent, im Jahr zuvor 4,5 Prozent. Die Corona-Pandemie könne mit ihren Einschränkungen "im Alltag Stressfaktoren für Familien und häusliche Gemeinschaften bedeuten", erklärte eine Sprecherin des Landeskriminalamts in Wiesbaden dazu.

Die Zahlen steigen seit 2014 kontinuierlich, die Polizei führt dies auf ein verändertes Anzeigeverhalten zurück, verweist zugleich aber auf eine nach wie vor hohe Dunkelziffer; Scham und finanzielle Abhängigkeit spielten eine Rolle. Unter häuslicher Gewalt fasst die Polizei Delikte zusammen, bei denen Täter und Opfer erwachsen und ein Paar sind. 80 Prozent der Opfer waren im vergangenen Jahr Frauen.

Damit sie sich weiter an Beratungsstellen wenden und in Frauenhäusern unterkommen können, haben die Träger ihre Arbeit auch in den verschiedenen Lockdowns fortgesetzt. Die Männerberatungsstelle der Caritas in Offenbach hat vergangenes Jahr zunächst auf Telefon- und Videogespräche sowie Spaziergänge zur Beratung umgestellt, wie der Psychologe Alexander Schantz berichtet. Das Angebot richtet sich an Männer, die schnell aggressiv und wütend werden. Sie werden von einer staatlichen Stelle zur Beratung verpflichtet, kommen auf familiären Druck oder aus eigenem Antrieb.

"Um den Kontakt nicht zu verlieren, haben wir die Männer auch proaktiv angerufen und gefragt, wie es geht", sagt Schantz. Dabei sei von mehr Stress und einer zugespitzten Situation berichtet worden. Erhöht habe sich die Nachfrage nach Beratung 2020 nicht. Ob sich Betroffene wegen Corona nicht gemeldet haben oder tatsächlich kein größerer Bedarf bestand, werde sich vermutlich erst langfristig zeigen, sagt der Psychologe.

Keinen deutlichen Anstieg registrierte auch das Odenwälder Frauenhaus in Erbach - obwohl dies die Zahlen der Polizeistatistik vermuten ließen. Leiterin Tina Meier erfüllt das mit Sorge: "Wir fragen uns, wo bleiben die Frauen, was passiert ihnen?" Möglich sei, dass es ihnen schwerer falle, sich Hilfe zu suchen, wenn die Männer wegen Kurzarbeit zu Hause seien. Unterstützung von Freunden oder anderen Ansprechpartnern falle derzeit oft weg. Möglicherweise spiele auch die Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus eine Rolle.

Auch die Frankfurter Beratungsstelle Frauennotruf berichtete, es sei kein pandemiebedingter Anstieg festgestellt worden. Während des ersten Lockdowns hätten zunächst weniger Frauen Unterstützung gesucht, anschließend habe sich die Zahl mit 678 auf dem Niveau der Vorjahre eingependelt. Trotz Pandemie sei der Frauennotruf per Telefon oder Mail erreichbar. Für persönliche Notfallberatungen stehe ein geschützter Raum zur Verfügung, in dem es unter Einhaltung aller Corona-Regeln Hilfe und Beratung gebe.

Verändert hat die Pandemie auch die Präventionsarbeit, wie Nele Lange berichtet, Koordinatorin häusliche Gewalt am Polizeipräsidium Frankfurt. Sonst sei sie bei Veranstaltungen präsent gewesen, um persönlich Wege aus Gewaltsituationen aufzuzeigen. Nun blieben die sozialen Medien, Instagram oder Facebook, um darauf aufmerksam zu machen. Der persönliche Kontakt lasse sich aber gerade beim Thema häusliche Gewalt nicht ersetzen, sagte Lange.

© dpa-infocom, dpa:210502-99-435669/3

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