Kriminalität:Report: Der Edathy-Ausschuss und die Unlust der Koalition

Berlin (dpa) - Eva Högl steht in den nächsten Monaten eine sonderbare Aufgabe bevor. Die SPD-Politikerin muss einen Untersuchungsausschuss leiten, den sie eigentlich für überflüssig hält.

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Berlin (dpa) - Eva Högl steht in den nächsten Monaten eine sonderbare Aufgabe bevor. Die SPD-Politikerin muss einen Untersuchungsausschuss leiten, den sie eigentlich für überflüssig hält.

Noch dazu dreht sich die Affäre, die es aufzuklären gilt, ausgerechnet um ihren früheren Abgeordnetenkollegen Sebastian Edathy. Im Untersuchungsausschuss zur rechtsextremen Terrorzelle NSU arbeiteten die beiden eng zusammen - Edathy als Ausschussvorsitzender und Högl als Obfrau.

Auch die Union hätte gerne auf den Edathy-Ausschuss verzichtet. Die Koalitionäre hatten schon genug Ärger mit dem Fall. Die Opposition steht mit ihrem Aufklärungsdrang ziemlich alleine da.

Rückblick: Anfang Februar legte Edathy völlig unerwartet sein Bundestagsmandat nieder. Aus gesundheitlichen Gründen, wie es zunächst hieß. Ein paar Tage später dann die Überraschung: Ermittler durchsuchten seine Wohnungen und Büros in Niedersachsen und Berlin. Erst nach und nach kam ans Licht, was hinter all dem steckte.

Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt gegen Edathy wegen des Verdachts auf Erwerb und Besitz von Kinderpornografie. Der SPD-Politiker soll sich über mehrere Jahre im Internet bei einem kanadischen Onlinehändler Nacktaufnahmen von Jungs bestellt haben. Internationale Ermittler hatten die kanadische Firma hochgenommen. Dabei tauchte auch Edathys Namen auf der Kundenliste auf.

Der SPD-Mann bestreitet nicht, dass er Nacktaufnahmen bestellt hat. Er versichert aber, es handele sich ausschließlich um legales Material. Edathy ist seit Monaten abgetaucht. Wo er steckt, ist nicht bekannt. Immer mal wieder meldete er sich aus der Ferne zu Wort, verteidigte sich mit teils eigenwilligen Argumentationen und erhob schwere Vorwürfe gegen die Ermittler aus Hannover.

Die große Koalition stolperte böse über den Fall. Im Februar räumte Hans-Peter Friedrich (CSU) wegen der Affäre seinen Posten als Agrarminister. Er hatte Monate zuvor - noch als Innenminister - von den Vorwürfen gegen Edathy erfahren und SPD-Chef Sigmar Gabriel eingeweiht. Gabriel wiederum gab den Hinweis in der SPD-Spitze weiter. Auch bei der Polizei im Bund und in den Ländern gab es viele potenzielle Mitwisser. Fragt sich also: Wurde Edathy vorgewarnt, dass Ermittlungen auf ihn zukommen?

Bundeskriminalamt und Länderbehörden gerieten unter Druck. Denn das BKA hatte schon Ende 2011 von kanadischen Kollegen Daten erhalten, in denen Edathys Name auftauchte. Es vergingen aber viele Monate, bis die deutsche Polizei die Zusammenhänge erkannte und aktiv wurde. Noch dazu stand auch ein BKA-Mann auf der Kundenliste des kanadischen Nacktfoto-Lieferanten. Was lief schief beim BKA und bei den anderen Behörden? Und wie ging das BKA mit dem Fall des eigenen Beamten um?

All dem soll der Ausschuss nun nachgehen. So will es die Opposition. Linke und Grüne hatten zunächst in mehreren Innenausschusssitzungen versucht, Antworten zu bekommen. Doch die reichten ihnen nicht. Vor allem BKA-Präsident Jörg Ziercke habe dort gemauert, beklagen sie.

SPD und Union machen keinen Hehl daraus, dass sie über die Einsetzung des Untersuchungsausschusses wenig begeistert sind. Vor allem die Sozialdemokraten dämpfen demonstrativ die Erwartungen an das Gremium. Eigentlich seien alle Fragen im Innenausschuss beantwortet worden, sagt Högl. "Die Geschichte ist meiner Meinung nach erzählt." Aber die Opposition habe den Ausschuss nun mal beantragt. Mit Neuigkeiten oder Überraschungen rechne sie dort nicht.

Dass ausgerechnet die SPD den Vorsitz hat, liegt an den Parlamentsspielregeln. Der Vorsitz für diese Ausschüsse rotiert nach der Größe der Fraktionen - und diesmal ist eben die SPD dran. Die Grünen stellten kürzlich offen infrage, ob Högl die richtige Besetzung für den Vorsitz sei - wegen der Zusammenarbeit mit Edathy im NSU-Ausschuss, außerdem kämen beide aus Niedersachsen.

Högl will von einer angeblichen Befangenheit aber nichts wissen. Edathy und sie seien gute Kollegen gewesen, mehr nicht. Bald dürften sich die beiden im Ausschuss wiedersehen. Edathy hat sich selbst für eine Zeugenaussage angeboten.

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