Süddeutsche Zeitung

Kriminalität:Prinzessin brutal

Sie schikanierten ihr Personal 24 Stunden sieben Tage die Woche. Jetzt sind acht Frauen aus Abu Dhabi angeklagt.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Die belgische Hauptstadt hat zwei Fünf-Sterne-Hotels. Im einen übernachtet Angela Merkel, wenn sie nach Brüssel kommt. Im anderen - es hieß damals "Conrad", heute "Steigenberger" - wohnten im Sommer 2008 mehrere Monate lang acht Prinzessinnen aus Abu Dhabi, auf einer ganzen Etage mit 54 Zimmern. Während eine von ihnen eine Fruchtbarkeitsbehandlung in einem Krankenhaus erhielt, shoppten die anderen und vergnügten sich. Ihren Bediensteten ging es weniger gut. Sie sollen die ganze Zeit über eingesperrt, ausgebeutet, erniedrigt und misshandelt worden sein - moderne Sklaverei, mitten in Europa. Vor der Brüsseler Strafkammer begann am Donnerstag, nach einem jahrelangen juristischen Hin und Her, der Prozess gegen die arabischen Gäste.

Die belgische Öffentlichkeit war schockiert damals. Ans Licht kamen die Vorwürfe nur, weil eine der 23 Bediensteten geflohen war, sich versteckte und dann einem Anwalt anvertraut hatte. Eine andere Angestellte, die ebenfalls die Flucht ergriffen hatte, wurde von Leibwächtern der Prinzessinnen am Brüsseler Flughafen gefasst und nach Aussage von Anwälten zur Strafe drei Tage lang ohne Nahrung in ein Zimmer gesperrt. Schließlich stürmten 40 Polizisten den vierten Stock des Conrad und befreiten 17 Angestellte. Elf von ihnen entschieden sich, Anzeige zu erstatten. Sie werden von Opfervereinigungen unterstützt und erhalten auch staatliche Hilfe.

Sie mussten für ihre Herrinnen sieben Tage pro Woche 24 Stunden bereitstehen

Aus ihren Befragungen, Aussagen eines Opfers vor Gericht und den Schilderungen der Anwälte lassen sich die erstaunlichen Zustände im Conrad rekonstruieren. Demnach hatten die jungen Frauen keinerlei geregelte Arbeitszeit, sondern mussten sieben Tage die Woche jeweils 24 Stunden bereit stehen, ihren Herrinnen jeglichen Wunsch zu erfüllen, je nachdem, wann diese gerade wach waren. Gerne wurde mitten in der Nacht nach Tee verlangt. Die Mädchen hatten vor den Zimmern der Prinzessinnen auf Befehle zu warten. Normaler Schlaf war unmöglich, manche mussten auf den Gängen ruhen oder abwechselnd auf einer der wenigen Matratzen. Verbale Gewalt war die Regel, die Dienerinnen wurden als "Hündin", "Nutte" oder "Kuh" beschimpft und lebten in ständiger Angst vor Repressalien. Weil sie aus ärmsten Familien und vielen verschiedenen Ländern kamen - unter anderem aus Marokko, Tunesien, Ägypten, dem Sudan, Indien und den Philippinen -, konnten sie sich untereinander kaum verständigen. Den Pass hatte man ihnen abgenommen und die Sim-Karten. Ihr Monatslohn betrug 150 bis 500 Euro.

In der Heimat der Prinzessinnen keine Besonderheit: Menschenrechtsorganisationen kritisieren immer wieder, dass Hausangestellte und Arbeitsmigranten in den Vereinigten Arabischen Emiraten vom Staat kaum vor Ausbeutung und Missbrauch geschützt werden. Wegen Freiheitsberaubung, unmenschlicher Behandlung und Ausbeutung fordern die Anwälte nun zum Teil mehrere Hunderttausend Euro pro Opfer. Möglich wären mehr als fünf Jahre Haft. Die Prinzessinnen, Mitglieder der superreichen Al-Nahyan-Familie, sind allerdings längst wieder zurück in ihrer Heimat. Ihre Anwälte hatten im Vorfeld alle Vorwürfe zurückgewiesen. Das Urteil wird in einigen Monaten erwartet.

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Quelle:
SZ vom 12.05.2017
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