Kriminalität - Münster:Rechtsextreme Chats beim SEK: Acht Beamte suspendiert

Kriminalität - Münster: Polizeipräsidentin Alexandra Dorndorf spricht auf einer Pressekonferenz des Polizeipräsidiums. Foto: Guido Kirchner/dpa
Polizeipräsidentin Alexandra Dorndorf spricht auf einer Pressekonferenz des Polizeipräsidiums. Foto: Guido Kirchner/dpa (Foto: dpa)

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Münster (dpa) - Die Polizei in Nordrhein-Westfalen wird durch einen weiteren Fall einer Chatgruppe mit rechtsextremen Inhalten erschüttert. Ermittelt wird gegen acht Polizisten, von denen sieben noch zum Spezialeinsatzkommando (SEK) in Münster gehören. Der achte Beschuldigte sei inzwischen in einer anderen Behörde, so Polizeipräsidentin Alexandra Dorndorf am Freitag bei einer Pressekonferenz. Die Chats - zwischen 2013 und 2018 entstanden - seien offenbar teilweise rechtsextrem, gewaltverherrlichend und sexistisch gewesen. Die Männer des SEK aus Münster sind zwischen 39 und 56 Jahre alt.

Dorndorf versprach, "jeden Stein" umzudrehen und den Fall komplett aufzuklären. Insgesamt seien an der Chatgruppe 20 Polizisten beteiligt gewesen, die aber nicht alle strafrechtlich relevante Inhalte geteilt hätten. "Jedes Video, jeder Text, jedes Bild müsse bewertet werden. Bis dahin ist sichergestellt, dass die Beamten keine Einsätze wahrnehmen werden", sagte die Polizeichefin.

Die acht Beschuldigten wurden laut Polizei am Freitagmorgen suspendiert. Auf die Gruppe gestoßen waren die Ermittler nach einem Fall aus dem vergangenen Jahr. Im November 2021 hatte die Polizei über einen SEK-Beamten berichtet, der mutmaßlich rechtsextremistische und gewaltverherrlichende Inhalten über einen Messengerdienst mit einem Bundeswehrsoldaten privat ausgetauscht hatte. Die Staatsanwaltschaft Münster prüfte den Fall, aber stellte kein strafrechtliches Vergehen fest, da die Äußerungen nicht öffentlich gewesen seien.

Bei den weiteren disziplinrechtlichen Prüfungen gegen den 38-Jährigen ergaben sich jetzt Hinweise auf einen Chatverlauf über die Jahre 2013 bis 2018 mit 20 Beteiligten. "Nicht alle waren aktiv beteiligt", sagte Dorndorf am Freitag bei einer Pressekonferenz im Polizeipräsidium. Bei acht Beamten, ausschließlich Männern, habe die Polizei Münster wegen des Anfangsverdachts Strafverfahren eingeleitet. Darüber hinaus stehen Disziplinarverfahren an. Aus Neutralitätsgründen ermitteln jetzt die Polizei Bielefeld und das übergeordnete Landesamt für Ausbildung und Fortbildung der Polizei (LAFP).

Nach Aussage von Dorndorf wurden auf insgesamt drei Handys des Beamten pro Gerät mehrere tausend Nachrichten und mehrere tausend Fotos gefunden. Entdeckt wurden die Chats am Montag. Es sei jetzt noch zu früh, das zu bewerten, so die Behördenchefin, die in Münster seit Mai im Amt ist. Noch sei auf dem neuesten Handy (bis 2021) nicht alles gesichtet worden. Nach einem ersten Eindruck aber sei nach 2018 weniger innerhalb der Gruppe kommuniziert worden.

Vor zwei Jahren waren bei der Polizei in Mülheim/Ruhr mehrere Chatgruppen aufgeflogen, in denen unter anderem Hitler-Bilder oder hetzerische Inhalte geteilt worden waren. Damals waren aber keine SEK-Polizisten beteiligt.

"Spätestens seit den Vorfällen in Essen/Mülheim sind wir bei der Polizei hellwach und sehr sensibel. Nach den Ermittlungen im November sind wir deshalb drangeblieben und haben nicht locker gelassen", sagte Dorndorf. "Wir haben jetzt ein Ergebnis, das uns nicht glücklich macht. Ganz im Gegenteil, wir haben ein Ergebnis, das uns erschüttert."

Die Inhalte der Chatgruppe hätten mit den Werten der Polizei nichts zu tun. Und dabei sei es egal, so die Polizeichefin in Münster, dass das Entdeckte schon älter als fünf Jahre alt ist.

"Wer Gewalt verherrlicht, sich rassistisch oder rechtsextremistisch äußert - gegen den ermitteln wir mit aller Konsequenz. Null-Toleranz gilt hier für mich ausdrücklich auch nach Innen. Deshalb bin ich froh, dass man in Münster nach den ersten Hinweisen im November hartnäckig geblieben ist und auch ältere Chatnachrichten unter die Lupe genommen hat", sagte Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) nach der Pressekonferenz. "Die Beamten dürfen bis auf Weiteres ihre Dienstgeschäfte nicht wahrnehmen", betonte Reul als oberster Dienstherr. Leider würden sie mit ihrem Verhalten auch dem Ansehen der übergroßen Mehrheit ihrer Kolleginnen und Kollegen schaden, die jeden Tag hervorragende Arbeit leisten, teilte Reul mit.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Nordrhein-Westfalen zeigt sich tief bestürzt über die heute bekannt gewordenen Vorwürfe. "Rechtsextreme, fremdenfeindliche, gewaltverherrlichende und sexistische Auffassungen haben in den Reihen der Polizei nichts, aber auch gar nichts zu suchen", sagte der Landesvorsitzende Michael Mertens.

Die GdP begrüßt die Ermittlungen zu den Vorwürfen in Münster und das abgestufte disziplinarrechtliche Vorgehen: "Die Erfahrungen aus den Ermittlungen zu rechten Chats 2020 zeigen sehr deutlich, dass es wichtig ist, jeden Einzelfall zu betrachten", so Mertens weiter. Wie stets gelte es auch, sich vor Vorverurteilungen zu hüten und die weiteren Ermittlungen abzuwarten.

Bestätigen sich die Vorwürfe, so ist konsequentes Handeln unausweichlich. "Die betreffenden Beamten gehören dann endgültig aus dem Dienst entfernt und werden sich gegebenenfalls auch vor Gericht verantworten müssen", so der GdP-Landesvorsitzende. Das sei man dem Ansehen der Polizei, dem Vertrauen der Bürger, aber eben auch der überwältigend großen Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen schuldig, die verfassungstreu und in Achtung der Menschenwürde ihren Dienst versehen.

© dpa-infocom, dpa:220715-99-31184/7

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: