Hessen:Falsche Ärztin wegen Mordes vor Gericht

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Die beiden Verteidiger der 50-jährigen Angeklagten beim Prozessauftakt vor dem Landgericht Kassel. (Foto: Peter Hartenfelser via www.imago-images.de/imago images/Hartenfelser)

Die Frau hat jahrelang an einer hessischen Klinik gearbeitet und Patienten betäubt - fünf Menschen starben. Vor Gericht muss sich die 50-Jährige aber noch wegen anderer Vorwürfen verantworten.

Von Matthias Kohlmaier

Mord in fünf Fällen und versuchter Mord in elf Fällen: Die Vorwürfe gegen die 50 Jahre alte Meike S. wiegen schwer. Sie soll aus Geltungssucht Menschen, die ihr ihre Gesundheit und ihr Leben anvertraut haben, schwer verletzt und teilweise auch getötet haben. Mit diesen Anklagepunkten muss sich das Landgericht Kassel seit Mittwoch befassen.

Meike S. hat jahrelang als Ärztin in einem Krankenhaus in Nordhessen praktiziert - ohne jemals die erforderliche Ausbildung absolviert zu haben. Zum Auftakt des Prozesses gegen die Frau hat ihr Verteidiger eingeräumt, dass S. die Qualifikation für den Ärztinnenberuf gefehlt habe. Die Beweisaufnahme werde ergeben, dass das Berufsleben der 50-Jährigen in Teilen auf Hochstapelei zurückzuführen sei, sagte ihr Anwalt zu Prozessbeginn. Ein Tötungsvorsatz liege aber nicht vor: "Diesen Vorwurf wird die Beweisaufnahme nicht bestätigen."

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Im Oktober 1993 war eine 16-jährige Schülerin auf dem Heimweg erwürgt worden. Eine DNA-Spur führte schließlich zum Täter.

Die Ermittlungen gegen sie hatte S. auch selbst in Gang gebracht und 2019 Selbstanzeige wegen Anstellungsbetrugs gestellt. Wobei auch das weniger der Einsicht als mehr dem Eigenschutz geschuldet gewesen sein dürfte. Denn parallel ging auch eine Anzeige der Landesärztekammer Hessen ein. Die mutmaßliche Betrügerin war bei einem Mitgliedschaftswechsel der Ärztekammer von Hessen nach Schleswig-Holstein aufgeflogen, als ein Mitarbeiter Unstimmigkeiten in ihrer Approbationsurkunde entdeckte.

Für viele Menschen, die S. davor behandelt hatte, kam das jedoch zu spät. Zwischen 2015 und 2018 hatte S. als Assistenzärztin im Hospital zum Heiligen Geist im hessischen Fritzlar gearbeitet. Dort hat sie laut Anklage ohne die erforderliche Ausbildung eigenverantwortlich Patienten betäubt. In insgesamt 16 Fällen soll es zu Behandlungsfehlern gekommen sein, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Fünf Menschen im Alter von 58 bis 86 Jahren überlebten nicht.

Dies sind aber nur die schwersten Anschuldigungen, denen sich S. nun gegenübersieht. So soll sie außerdem durch Betrug ein Auto finanziert und Ende 2018 für vier Monate in Schleswig-Holstein ohne die erforderliche Qualifikation als Reha-Ärztin gearbeitet haben. Darüber hinaus sei sie als freie Dozentin in einer Schule für Gesundheitsberufe aufgetreten und habe die akademischen Titel Dr. med. und Dr. Dr. geführt. Die Anklage lautet auf Urkundenfälschung und den Missbrauch von Titeln und Berufsbezeichnungen.

S. soll einige der Vorwürfe während der Ermittlungen bereits eingeräumt haben. Die Tätigkeit als Ärztin ohne Approbation etwa hat sie zugegeben, sagt der Kasseler Staatsanwalt Stephan Schwirzer. In der Folge soll sie aber von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht haben. Die Frau sitzt seit Oktober 2019 in Untersuchungshaft, für den Prozess sind nun 13 Verhandlungstage angesetzt.

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