Kriminalität - Lüneburg:Frau aus "Reichsbürger"-Szene gibt Haltung vor Gericht zu

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Das Landgericht in Lüneburg. Foto: Philipp Schulze/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Lüneburg (dpa) - Eine 61 Jahre alte gebürtige Lüneburgerin aus der sogenannten Reichsbürger-Szene hat zum Prozessauftakt ihre umfangreichen Tätigkeiten zugegeben. "Mir geht es darum, dass meine Kinder Rechte an Grund und Boden bekommen, nicht internationale Konzerne. Die Bundesrepublik ist rechtlos", sagte sie vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts der Hansestadt am Donnerstag. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr vor, unter anderem in Hannover den organisatorischen Zusammenhalt des verbotenen Vereins "Geeinte deutsche Völker und Stämme" gefördert zu haben mit dem Ziel, ein eigenes staatliches System zu errichten.

Die Angeklagte gab zu, sich unter falschem Namen als Rechtsanwältin ausgegeben zu haben. Sie erkenne die staatlichen Systeme nicht an und sehe die Bundesrepublik als Firma. So stellte sie sogenannte Lebendurkunden für 200 Euro als Alternative zu Personalausweisen für ihre Anhänger aus. Die seit Mai in Untersuchungshaft sitzende Frau sagte, sie habe keine staatlichen Ausweispapiere und keine Versicherungen: "Personalien habe ich nicht, ich bin ein beseelter Mensch." Auch die fünfstelligen Postleitzahlen müsse man nicht anerkennen, beteuerte sie. Ein Zeuge erzählte, für mehrere Hundert Euro habe die Frau zeitweise in Berlin sogenannte Beamtenschulungen angeboten.

Sie muss sich auch wegen des Verwendens und Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, Volksverhetzung und Missbrauchs von Berufsbezeichnungen verantworten. Die Staatsanwältin führte aus, dass die Angeklagte mit offiziellem Briefkopf einer Rechtsanwaltskanzlei an den Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte in Den Haag und diverse Ministerpräsidenten geschrieben habe. So forderte sie auch die Amtsenthebung von Landeschef Stephan Weil (SPD).

Die Ideologie des verbotenen Vereins, für den sie als Rädelsführerin tätig gewesen sein soll, richtet sich gegen Ausländer und Juden. "Geeinte deutsche Völker und Stämme" wird der extremistischen "Reichsbürgerbewegung" zugerechnet.

Die Angeklagte stellte sich jedoch als weitgehend harmlos dar. "Ich bin gegen jede Gewalt, ich bin kein aggressiver Mensch", beteuerte die Angeklagte. Sie wolle nichts Böses und keine Herrschaft. Ihr Verteidiger unterstrich, dass seine Mandantin aus tiefster Überzeugung handele und meine, sie habe sich straflos verhalten. Am Ende ihrer Erklärungen brach sie in Tränen aus.

Wegen Zwischenrufen verhängte der Vorsitzende Richter gegen einen Bekannten der Angeklagten ein Ordnungsgeld von 300 Euro. Für den Prozess sind vier Verhandlungstage angesetzt.

© dpa-infocom, dpa:221102-99-359375/5

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