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Kriminalität - Limburg an der Lahn:Absichtlicher Lkw-Unfall: Angeklagter entschuldigt sich

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Limburg (dpa) - In dem Prozess wegen eines mutmaßlich absichtlich verursachten Lastwagenunfalls mitten in Limburg hat sich der Angeklagte für die Tat entschuldigt, aber zugleich auf Erinnerungslücken verwiesen. Auslöser sei sein Drogenkonsum gewesen. "Wären die Drogen nicht im Spiel gewesen, wäre das nicht passiert", sagte der 33-Jährige am Freitag im Limburger Landgericht. Ihm werden versuchter Mord und gefährliche Körperverletzung. (Az.: 2 Ks 6170 Js 245370/19) vorgeworfen.

Er habe kurz vor der Tat einen Joint geraucht, das Marihuana sei "ungewöhnlich stark" gewesen. An die angeklagte Tat selbst habe er wenige Erinnerungen, so der nach eigenen Angaben drogenabhängige Mann. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Flüchtling aus Syrien zur Tatzeit wegen des Marihuanakonsums vermindert schuldfähig gewesen war, möglich wäre die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt.

Der Mann hatte laut Anklage am 7. Oktober 2019 zunächst einen Lkw-Fahrer aus dessen Gefährt gezogen und sich dann selbst hinters Steuer gesetzt. Kurz darauf soll er an einer Kreuzung mit rund Tempo 40 absichtlich gegen vor ihm stehende Wagen gefahren sein, die vor einer Ampel warteten. Zehn Fahrzeuge wurden aufeinander geschoben, 18 Menschen erlitten Verletzungen. Der Mann wurde noch am Tatort festgenommen, er ist seitdem in Untersuchungshaft.

"Ich möchte mich dafür auf das Äußerste entschuldigen", so übersetzte der Dolmetscher des Angeklagten dessen erste Sätze am zweiten Prozesstag. Es war das erste Mal, dass sich der 33-Jährige zu den Vorwürfen äußerte; im Ermittlungsverfahren hatte er hierzu nichts gesagt. Laut seiner Darstellung war er an dem 7. Oktober zunächst bei Familienangehörigen in Limburg gewesen. Dort habe er einen Joint geraucht, wie er sagte. Bereits kurz darauf sei "mein Blut hochgekocht und mein Kopf explodiert".

Später habe er im desolaten Zustand beim Abspülen geholfen, sein Cousin habe ihn dabei versehentlich mit einem großen Küchenmesser berührt. Er habe enorme Angst bekommen - Erinnerungen an schreckliche Erlebnisse aus dem Bürgerkrieg in Syrien mit einem Messer seien hochgekommen. Daher sei er auf die Straße geflüchtet und habe dort nur die Lichter der Autos gesehen. Auf die hellsten Lichter sei er zugelaufen, es seien wohl diejenigen des kurz darauf von ihm gekaperten Lkw gewesen. An das weitere Geschehen habe er keine Erinnerung.

Am ersten Prozesstag hatten Zeugen berichtet, der Angeklagte habe kurz nach der Tat verwirrt und erschüttert gewirkt. Er sei immer wieder "Allah" rufend auf der Straße herumgelaufen und habe eine Frau, die ihm habe helfen wollen, angegriffen. Vor einer weiteren Frau sei er niedergekniet, habe sich an deren Kleidung festgehalten und gebetet. Seine Augen seien glasig gewesen, anscheinend habe er sich in einem Schockzustand befunden.

Der Mann war 2015 nach Deutschland gekommen und bereits kurz darauf straffällig geworden. Im Jahr 2016 schlug er nachts im Frankfurter Bahnhofsviertel einem Mann während eines Streits eine Glasflasche auf den Kopf, so dass diese zerbrach. Er wurde wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt. Auch in dem damaligen Prozess hatte er sich auf enorme Erinnerungslücken berufen.

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