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Kriminalität - Hanau:Totengebet für Opfer des Hanauer Anschlags

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Hanau (dpa/lhe) - Rund 4500 Menschen haben nach dem rassistischen Anschlag in Hanau zwei weiteren Todesopfern bei einer Trauerfeier die letzte Ehre erwiesen. Auf dem Marktplatz der Stadt östlich von Frankfurt wurde am Freitagnachmittag ein Totengebet abgehalten. Anschließend wurden die beiden Opfer in einem Trauerzug zum Hauptfriedhof gebracht und dort auf einem muslimischen Gräberfeld beigesetzt.

Bei den Opfern handelt es sich nach Angaben der Stadt um einen 22-jährigen gebürtigen Hanauer mit einer Staatsangehörigkeit von Bosnien-Herzegowina und einen 21 Jahre alten Deutsch-Afghanen mit doppelter Staatsbürgerschaft.

Die Trauerfeier am Freitag stand in einer Reihe von Bestattungen nach dem Attentat. Am Abend des 19. Februar hatte ein 43-jähriger Deutscher insgesamt neun Menschen mit ausländischen Wurzeln an mehreren Tatorten erschossen. Der Sportschütze soll auch seine Mutter getötet haben, bevor er sich selbst das Leben nahm. Nach bisherigen Erkenntnissen hatte der mutmaßliche Täter eine rassistische Gesinnung und war psychisch krank. Die beiden Toten, für die am Freitag die Trauerfeier veranstaltet wurde, waren die letzten beiden der neun Opfer mit ausländischen Wurzeln.

Der Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) hielt auf einer Bühne am Rande des Marktplatzes eine Trauerrede. Er betonte, dass die beiden erschossenen keine Fremden, sondern gut integrierte "Hanauer Buben" gewesen sein. Die Stadt habe "zwei wundervolle Jungen" verloren, sagte er, nachdem er zum Lebensweg und etwas zu ihren charakterlichen Zuschreibungen von Familien und Freunden berichtet hatte. Er schloss mit den Worten: "Said Nesar Hashemi und Hamza Kurtovic haben in unser allen Herzen ein Denkmal."

Der Hanauer Imam Mustafa Macit Bozkurt sagte bei seiner Rede: "Wir durchlaufen eine traurige Zeit." Er rief die die Muslime in der Stadt zum Zusammenhalt mit Bürgern anderer Religionen auf und versicherte: "Wir in Hanau lassen uns von rechtsextremistischen Terroranschlägen nicht einschüchtern." Nach dem Totengebet trugen Gemeindemitglieder die beiden Särge zu Leichenwagen, die sie zum Hauptfriedhof brachten. Der Imam rief dazu auf, keine lauten Parolen zu skandieren, um den Trauermarsch in Stille stattfinden zu lassen. Unter Gebeten und Gesängen wurde anschließend die Bestattung vollzogen.

Am kommenden Mittwoch (4. März) ist eine zentrale Gedenkfeier in Hanau für die Opfer, ihre Angehörigen und mitfühlende Bürger geplant. Dazu werden unter anderem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) erwartet.

Bouffier will mit Kaminsky und Vertretern der Opferverbände über Konsequenzen aus dem Anschlag sprechen. Das Treffen in der hessischen Staatskanzlei in Wiesbaden soll einen Tag nach der zentralen Trauerfeier am kommenden Donnerstag (5. März) stattfinden. Das kündigte die Staatskanzlei am Freitag in Wiesbaden an.

Auch die Kurdische Gemeinde Deutschland drückte in einer Mitteilung ihre Anteilnahme aus. Der stellvertretende Bundesvorsitzende Mehmet Tanriverdi sagte, die neun in Hanau getöteten Menschen hinterließen Familien, für die das Leben nie wieder sein werde wie zuvor. "Mit ihnen trauern wir, bei ihnen sind all unsere Gedanken." Es sei wichtig, vor Ort den betroffenen Familien Beistand zu leisten und Solidarität zu zeigen. Er betonte, dass Betroffene auch Unterstützung des Staates benötigten: seelisch, psychologisch und finanziell.

Damit sich Rassismus nicht weiter ausbreite, forderte Tanriverdi "eine konsequente Zerschlagung rechtsextremer Netzwerke, Verschärfung der Waffengesetze und eine lückenlose Aufklärung rassistischer Verbrechen". Wichtig seien auch früh ansetzende Präventionsarbeit und mehr politische Bildung in Schulen.

Der hessische Landesbezirk der Gewerkschaft Verdi rief dazu auf, am Mittwoch (4. März), dem Tag der Gedenkfeier in Hanau, landesweit von 11.50 bis 12.00 Uhr Gedenkminuten in Betrieben und Dienststellen abzuhalten. "Zehn Menschenleben sind von einem rechtsextremistischen Rassisten in Hanau ausgelöscht worden. Über ihre Familien und Freunde ist unermessliches Leid hereingebrochen. Wir fühlen und trauern zutiefst mit ihnen. Diese menschenverachtende Tat ist für uns ein weiterer tieftrauriger Anlass, unseren Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus unvermindert fortzuführen" erklärte Verdi Hessen.

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