Süddeutsche Zeitung

Geständnis im Entführungsfall Nathalie Birli:"Wie in einem schlechten Film"

Lesezeit: 2 min

Von Anna Ernst

Nachdem alles vorbei ist, schreibt Nathalie Birli auf Facebook: "Wie in einem schlechten Film" sei das alles gewesen. Eigentlich wollte die österreichische Profi-Radsportlerin und Triathletin am Dienstagnachmittag nur eine Stunde trainieren gehen. Die 27-Jährige verabschiedet sich von ihrem Lebensgefährten und dem erst 14 Wochen alten Sohn und fährt allein mit dem Rennrad in einen Wald. Erst viele Stunden später kommt sie wieder nach Hause: am ganzen Körper übersät mit Prellungen, ihr Arm ist gebrochen, sie hat eine Kopfverletzung.

Jetzt hat ein Mann gestanden, sie angefahren und entführt zu haben. Fast sieben Stunden lang hielt er die Sportlerin in einem abgelegenen Haus in seiner Gewalt, bis sie ihn überreden kann, sie freizulassen und heimzufahren.

Die Polizei hat den Fall anhand ihrer Aussage und des Geständnisses des mutmaßlichen Entführers rekonstruiert. Der Tathergang ähnelt tatsächlich einem Psychothriller: Nathalie Birli fährt auf einem Schotterweg durch den Wald im österreichischen Kumberg bei Graz, als ein roter Wagen sie anfährt. Der Fahrer steigt aus. Doch anstatt ihr zu helfen, schlägt er die 27-Jährige mit einem Holzstock nieder. Er fesselt sie mit Isolierband und zerrt sie in sein Auto. Dort verliert Nathalie Birli nach einem Schlag auf den Kopf das Bewusstsein.

"Als ich zu mir gekommen bin, war ich nackt und in einem alten Haus an einen Sessel gefesselt", sagt sie später der österreichischen Kronen Zeitung. "Voller Hass" soll der Mann sie mit einem Messer bedroht, ihr zeitweilig die Augen verbunden und sie gezwungen haben, Wein und Schnaps zu trinken. Er habe ihr Mund und Nase zugehalten und sie versucht zu ersticken. "Dann hat er mich gezwungen, in eine Badewanne mit kaltem Wasser zu steigen, und wollte mich ertränken. Ich hab's ihm ausgeredet", zitiert die Kronen Zeitung Nathalie Birli.

Während ihr Lebensgefährte eine Vermisstenmeldung aufgibt und Polizeistreifen und Feuerwehr vergeblich nach der Frau suchen, schafft es Birli offenbar nach und nach, das Vertrauen ihres Entführers zu gewinnen. "Mein Durchbruch war, als ich im Haus die vielen Orchideen gesehen habe. Ich hab' sie bewundert, und plötzlich war der Täter nett zu mir. Er wäre Gärtner, hat er gesagt, und mir plötzlich über sein verpfuschtes Leben erzählt." Sie habe dem Mann dann den Vorschlag gemacht, zu sagen, es sei ein Unfall gewesen und sie gehen zu lassen. Der Entführer geht darauf ein. Er fährt sie sogar mit seinem Auto bis vor die Haustür. Es ist kurz vor Mitternacht, als ihr Lebensgefährte bei der Polizei anruft: Nathalie Birli ist wieder da.

Mit den Daten aus ihrem Fahrradcomputer hat die Polizei ihren Entführer aufgespürt. Die Spezialeinheit "Einsatzkommando Cobra" nimmt den 33-Jährigen schließlich in dem abgelegenen Haus im Wald fest. "Man könnte sagen, es war ein richtiger Messie-Haushalt", beschreibt ein Polizei-Sprecher die Szenerie, in der Birli stundenlang gefangen war.

Was der Entführer von seinem Opfer wollte, ist bislang nicht klar. Die Polizei hat mittlerweile zwar ein Geständnis für die Entführung - nicht aber ein Motiv. Um eine Sexualstraftat, so viel ist nach bisherigem Ermittlungsstand bekannt, ging es offenbar nicht. Der 33-Jährige habe auch einer Tötungsabsicht widersprochen: "Er sagt, er hat sie nur in die Badewanne gelegt, um sie zu reinigen, weil sie durch den Unfall auf der Straße verschmutzt war." Da der Mann für Behördengänge und Geldangelegenheiten einen Betreuer hat, geht die Polizei von einer "psychischen Beeinträchtigung" aus, bislang ist er aber nicht durch Gewalttaten aufgefallen. Er wurde in die Justizanstalt eingeliefert.

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