Kriminalität:Durchsuchung bei mutmaßlichen Rechtsextremisten

Deutschland
Polizisten stehen bei einer Durchsuchung in einem Flur. Foto: Frank Rumpenhorst/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Flensburg/Bad Segeberg (dpa) - Schlag gegen Rechts am frühen Morgen: Polizisten haben am Dienstag Wohnungen von mutmaßlichen Rechtsextremisten in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Brandenburg und Hessen durchsucht. Die insgesamt zwölf Verdächtigen sollen sich im Juli 2019 mit weiteren Beteiligten in Bad Segeberg zu der rechtsextremen Gruppierung "Aryan Circle Germany" zusammengeschlossen haben, wie Staatsanwaltschaft Flensburg und Landeskriminalamt Schleswig-Holstein mitteilten. Sämtliche Beschuldigte seien dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnen. "Einige von Ihnen sind in der Vergangenheit bereits durch rassistisch motivierte Straftaten oder durch Verstöße gegen das Waffengesetz aufgefallen", teilten LKA und Staatsanwaltschaft weiter mit. Festnahmen hat es nach Angaben der Sprecherin der Staatsanwaltschaft nicht gegeben.

Die rechtsextreme Gruppe hatte den Angaben zufolge Körperverletzungen und Sachbeschädigungen sowie Straftaten nach dem Waffengesetz geplant. Derzeit lägen jedoch keine Erkenntnisse vor, dass Anschläge geplant gewesen seien, sagte die Sprecherin. Die Tatverdächtigen sind im Alter von 19 bis 57 Jahren. Es gehe darum, die Struktur der Gruppierung weiter aufzuklären und herauszufinden, welche Rollen die einzelnen Beschuldigten in der Gruppierung inne hatten.

Bei einem der Beschuldigten soll es sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur um Bernd T. handeln. Der als extrem gewalttätige bekannte Mann galt jahrelang als Kopf und wichtige Figur der rechtsextremen Szene in Kassel. Er hatte unter anderem den 2015 vom hessischen Innenministerium verbotenen rechtsextremistischen Kasseler Verein "Sturm 18" gegründet. Der Mann lebt nach Informationen aus Sicherheitskreisen nicht mehr in Hessen, sondern mittlerweile in Schleswig-Holstein.

Konkret waren die Beamten bei der Razzia im Segeberger Raum, Lübeck und Glinde (Schleswig-Holstein), Staufenberg (Niedersachsen), Weilburg (Hessen) sowie Beeskow (Brandenburg) im Einsatz, wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Flensburg sagte.

In Bad Segeberg ist man erleichtert über die Razzien. Den Menschen im Kreis Segeberg sind rechte Umtriebe im Kreis schon länger ein Dorn im Auge. "Es ist beruhigend zu wissen, dass die Sicherheitsorganisationen die Szene sorgfältig beobachten und lageangepasst einschreiten", sagte Bürgermeister Dieter Schönfeld der dpa.

Im vergangenen Herbst sind in Bad Segeberg und Sülfeld im Kreis Segeberg bei mehreren Demonstrationen Tausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen Neonazis und rechte Gewalt zu protestieren. Mitte Oktober waren ein Mann und eine Frau in dem 3000-Seelen-Dorf Sülfeld von einem 23 Jahre alten Mann aus der Neonaziszene attackiert worden, als sie Aufkleber mit der Aufschrift "Aryan Circle" und mit rechten Parolen entfernen wollten.

Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) sagte am Dienstag, die Durchsuchungen seien die konsequente Umsetzung der auf der Innenministerkonferenz im vergangenen Jahr verabredeten Strategie gegen rechtsextremistische Strukturen. "Ich habe bereits in Sülfeld gesagt, dass unsere Polizei den führenden Mitgliedern dieser rechtsextremistischen Gruppierung fast sprichwörtlich auf den Füßen steht." Polizei, Justiz und Verfassungsschutz schöpften alle rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten aus, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit abzuwehren, sagte der Minister weiter.

Bernd T. als Kopf des Aryan Circle sei eine Person, die mit seinen Mitläuferinnen und Mitläufern einen ganzen Ort in Angst und Schrecken versetzt habe, sagte Grote. Dies habe er in Sülfeld "hautnah" erlebt. "Wir lassen es uns nicht gefallen, wenn Menschen bedroht werden und Extremisten offen ihre Gesinnung zur Schau stellen."

Der Sprecherin der Staatsanwaltschaft zufolge wurden bei den Durchsuchungen am Dienstag Speichermedien in beträchtlicher Menge sichergestellt. "Wir werden die Speichermedien jetzt akribisch auswerten", sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Es sei der Staatsanwaltschaft bekannt, dass einer der Beschuldigten in Kassel gewirkt habe und dort eine Führungsperson des 2015 verbotenen Vereins "Sturm 18" gewesen sei. Es bestehe der Verdacht, dass der Verein mit dem "Aryan Circle" weitergeführt werde. Außerdem sind den Angaben zufolge bei den Razzien Betäubungsmittel und einige Gegenstände gefunden worden, die unter das Waffengesetz fallen.

Der Sprecher für Strategien gegen Rechtsextremismus der Grünen-Landtagsfraktion, Lasse Petersdotter, sagte, mit dem sogenannten "Aryan Circle" entwickle sich seit einigen Monaten in Bad Segeberg eine sehr aktive und gewaltbereite rechtsextreme Szene. "Es ist gut, dass gegen diese Keimzelle der Szene nun konsequent vorgegangen wird." Er gehe davon aus, "dass mit diesen Durchsuchungen ausreichend Material vorliegt, um diesen rechtsextremen Verein zu verbieten. Die personellen wie strukturellen Überschneidungen zur verbotenen Organisation "Sturm 18" sind offensichtlich."

Der Sprecher der SPD-Landtagsfraktion gegen Rechtsextremismus, Tobias von Pein, sagte, "die heute durchgeführten Razzien gehen auch auf das zivilgesellschaftliche Engagement mutiger Demokratinnen und Demokraten, unter anderem in Sülfeld, zurück, denen unser Dank gilt."

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