Kriminalität - Dresden:Mutmaßliche Raser vor Gericht: Anwalt widerspricht Vorwurf

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Eine Statue der Justitia hält die Waage. Foto: picture alliance/dpa/Symbolbild (Foto: dpa)

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Dresden (dpa/sn) - Ali sollte im Sommer vergangenen Jahres eingeschult werden. Der Junge, der mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in Dresden lebte, wurde aber nur sechs Jahre alt. Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass er vor fünfeinhalb Monaten in Sachsens Landeshauptstadt Opfer eines illegalen Autorennens wurde. Dazu sollen sich zwei Männer am Abend des 22. August 2020 verabredet haben, wie Oberstaatsanwalt Jens Hertel zum Prozessauftakt am Mittwoch im Dresdner Landgericht sagte. Der 32-Jährige und der 24-Jährige sind wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge angeklagt. Bei dem Älteren geht es auch um fahrlässige Tötung, er ist in Untersuchungshaft, bei dem Jüngeren auch um Gefahr für Leib und Leben. Die Angeklagten äußerten sich weder zu den Vorwürfen noch zu persönlichen Verhältnissen.

Sie seien mit überhöhter Geschwindigkeit auf der vierspurigen Straße Richtung Innenstadt gerast und vor dem Aufprall "nebeneinander und nahezu gleichauf" gewesen, verlas Hertel mit der Anklage. Der Ältere habe "mit mindestens Tempo 75" den Jungen erfasst, der zusammen mit einem anderen Kind auf dem Heimweg vom Supermarkt war. Der Junge sei gut 20 Meter durch die Luft und gegen die Scheibe eines Wartehäuschens geschleudert worden. Das schwer verletzte Kind aus Syrien starb an der Unfallstelle. "Das wäre bei den erlaubten 50 km/h vermeidbar gewesen", so der Oberstaatsanwalt.

Anders als in ähnlichen Fällen wird den ebenfalls aus Syrien stammenden Angeklagten, die als Bauhelfer und Kurierfahrer arbeiteten, nicht auch Mord vorgeworfen. Die Ermittlungen hätten nicht ergeben, dass sie den Tod von Menschen zumindest billigend in Kauf nahmen, erklärte ein Gerichtssprecher. Oberstaatsanwalt Hertel stellte allerdings fest: "Es muss den Fahrern klar gewesen sein, dass sie mit dem hohen Tempo gerade im Bereich einer Haltstelle oder eines Fußgängerüberwegs bewusst gefährdeten."

Strafverteidiger Michael Sturm widersprach dem Vorwurf des illegalen Autorennens. Die Angeklagten seien nicht neben- sondern in einem Abstand von 40 bis 70 Metern hintereinander gefahren, sagte der Anwalt. Er sprach von falschen Zeugenangaben "aus einer niederen Gesinnung" - möglicherweise weil die Angeklagten Flüchtlinge seien.

Ali war das zweitjüngste von vier Geschwistern und hatte eine ältere Schwester und einen älteren Bruder. Er habe nie allein rausgehen dürfen, sagte seine Mutter am Nachmittag als Zeugin. Als seine Spielkameraden an diesem Tag klingelten und ihn abholen wollten, ist er wohl doch losgelaufen. Da es ihr nach der Geburt ihres vierten Kindes eine Woche zuvor schlecht gegangen sei, suchte ihr Lebensgefährte Ali - und sah ihn erst wieder, als er tot war, berichtete die 29-Jährige unter Tränen.

Ein 25-Jähriger aus Leverkusen (Nordrhein-Westfalen), der als Beifahrer in dem Auto des 32-Jährigen saß, sagte danach als Zeuge aus: "Er hat gebremst, aber es nicht mehr geschafft."

Der Prozess wird am 26. Februar fortgesetzt.

© dpa-infocom, dpa:210209-99-370441/8

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