Umweltkatastrophe:Giftiger Niederschlag bedroht Zehntausende Menschen auf der Krim

Menschen auf der Krim tragen Atemschutzmasken nach einem Chemieunglück

In der Stadt Armjansk werden Kinder mit Bussen in Sicherheit gebracht.

(Foto: REUTERS)
  • Giftiger Niederschlag aus einer Chemiefabrik bedroht die Gesundheit Zehntausender Menschen auf der Krim.
  • Einwohner der Stadt Armjansk klagen über Atemnot und Hautausschläge.
  • Die Behörden hatten die Sache zunächst heruntergespielt.

Von Julian Hans, Moskau

Seit dem 25. August klagen die Bewohner der Stadt Armjansk über Atemnot, Hautausschläge und brennende Augen. Eine schmierige, rostbraune Substanz hatte sich über Nacht über Autos, Dächer und Pflanzen gelegt, das zeigen Bilder und Videos, die russische und ukrainische Medien veröffentlicht haben. Die Stadt mit 22 000 Einwohnern liegt im Norden auf der Landverbindung zwischen der Halbinsel und dem ukrainischen Festland, die faktische Grenzlinie verläuft wenige Kilometer entfernt.

Drei Tage nachdem die ersten Symptome aufgetreten waren, erklärte das Krim-Oberhaupt Sergej Aksjonow, Proben hätten ergeben, dass keinerlei Gefahr für die Bevölkerung bestehe. Nach der Herkunft der rätselhaften Substanz werde noch gesucht. Mittlerweile haben die Behörden offiziell bestätigt, was den Bewohnern von Armjansk von Anfang an klar war: Die giftigen Niederschläge müssen aus dem Chemiewerk "Krimskij Titan" stammen, das unter anderem Kunstdünger, Titandioxid, Schwefelsäuere und Schwefeldioxid herstellt. Sie bedrohen die Gesundheit von Zehntausenden Menschen auf der Krim.

Das Werk ist der größte Arbeitgeber der Stadt und war einst der Anlass zu deren Gründung Ende der 1960er Jahre. Heute gehört die Fabrik zum Firmen-Imperium des ukrainischen Oligarchen Dmytro Firtasch, der in seiner Heimat stets eine prorussische Position eingenommen und Anfangs auch die Separatisten in der Ostukraine unterstützt hatte.

Cows graze near the local titanium dioxide manufacturer 'Crimean Titan' in Armyansk

Kühe grasen vor dem Chemiewerk "Krimskij Titan".

(Foto: REUTERS)

Ukraine hat Halbinsel von Versorgung mit Süßwasser abgeschnitten

Den Berichten zufolge sind die Krankenhäuser überfüllt, die Menschen tragen Atemmasken, wenn sie ins Freie gehen. Erst am Dienstag wurden 4000 Kinder mit Bussen aus der Stadt gebracht - zehn Tage nachdem die ersten Bewohner medizinische Hilfe gesucht hatten. Die Kinder wohnen vorerst in Sanatorien, was in den russischen Staatsmedien als Verlängerung der Sommerferien dargestellt wird.

Krim-Oberhaupt Aksjonow erklärte, die Chemiefabrik habe ihre Produktion vorerst eingestellt. Allerdings ist die Ursache der giftigen Ausstöße damit offenbar nicht beseitigt. Berichten ehemaliger Arbeiter zufolge werden die Abfälle aus der Produktion in riesigen Staubecken gesammelt. Solange die Säure mit Wasser verdünnt wird, wird sie nicht an die Umwelt abgegeben. Doch die Verdünnung gestaltet sich schwierig, weil die Ukraine die Versorgung der Halbinsel mit Süßwasser aus dem Dnjepr nach der Annexion der Krim durch Russland im März 2014 eingestellt hat. Diese Anbindung an die Infrastruktur des Festlandes war einst ein Motiv für die sowjetische Führung gewesen, die Krim 1954 der Verwaltung der ukrainischen Sowjetrepublik anzugliedern.

Neue Brunnen, die bis 400 Meter tief reichen, sollen Abhilfe schaffen. Aber der heiße Sommer hat den Wassermangel auf der Krim nun noch einmal verschärft. Russische Staatsmedien werfen der Regierung in Kiew vor, für die Umeltkatastrophe in Armjansk verantwortlich zu sein. Die Kreml-kritische Zeitung Nowaja Gaseta spricht derweil von einer Katastrophe mit Ansage. Das Wasserproblem sei seit mehr als vier Jahren bekannt. Seitdem habe es viele Pläne gegeben, etwa zur Umleitung von Wasser aus dem Fluss Kuban im Gebiet Krasnodar auf dem russischen Festland. Doch während im Frühjahr eine Autobahnbrücke von dort auf die Krim eingeweiht wurde, blieb die Wasserfrage ungelöst.

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