SZ-Kolumne "Bester Dinge":Sahnetorte, 77 Jahre später

Lesezeit: 1 min

(Foto: Laura Kreider/U.S. Army)

1945 stehlen hungrige US-Soldaten einem italienischen Mädchen den Geburtstagskuchen. Nun hat sie Ersatz bekommen.

Von Anna Fischhaber

Wer einmal auf einem Kindergeburtstag war, der kennt das Kuchenproblem. Von wegen acht gleich große Stücke, fertig. Der eine will nur das Randstück mit der Schokolade, der andere vor allem die Smarties, die sich schon der Nachbar gekrallt hat. Seit Jahrzehnten rätseln Mathematiker, wie sich Kuchen neidfrei teilen lässt. Und natürlich gilt: je mehr Kuchenesser, desto komplizierter. Zwar gibt es inzwischen recht elegante Algorithmen, allerdings sind für die Problemlösung so viele Schritte notwendig, dass in der Praxis vor allem Krümel bleiben.

Ob die US-Soldaten, die vor 77 Jahren einen Geburtstagskuchen von einer Fensterbank in Norditalien stahlen, wirklich neidisch oder schlicht hungrig waren, ist nicht überliefert. Es ist Frühling 1945, am Vorabend von Meri Mions 13. Geburtstag treffen endlich die lang ersehnten Amerikaner in ihrem Dorf San Pietro ein. Die Familie Mion wartet auf dem Dachboden, bis die Deutschen verschwunden sind. Am Morgen traut sich die Mutter runter und backt der Tochter einen Kuchen, den sie am offenen Fenster abkühlen lässt.

Einer italienischen Lokalzeitung beschrieb Mion später ihr Gefühlschaos an dem Tag, die Enttäuschung wegen des Kuchendiebstahls und die gleichzeitig empfundene Erleichterung über die Ankunft der Amerikaner. Nun, kurz vor ihrem 90. Geburtstag, ist Überraschung dazugekommen: Wie ein Video der US-Armee zeigt, wurde der alten Dame in Vicenza eine Wiedergutmachung überreicht - in Form einer recht üppigen Sahnetorte, mit Kiwis, Erdbeeren und Schokolade garniert. Mion ist sichtlich bewegt und erklärt, sie wolle den Kuchen nun mit ihren Liebsten daheim teilen. Neidisch dürfte diesmal keiner geworden sein, als das Geburtstagskind das erste und vor allem beste Stück wählte.

Mehr gute Nachrichten lesen Sie hier .

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ-Kolumne "Bester Dinge"
:Die Polyamorie sei mit euch!

In Neuseeland ist eine alte Bibel mit einem verhängnisvollen Druckfehler aufgetaucht, der dem Laster Tür und Tor öffnet.

Von Martin Zips

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: